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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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sie es, dass er sich so vorkam. Mit seiner eigenen Ungeduld ringend, sah er sie an und wartete.
    »Kennen Sie das Gegensatzspiel?«
    »Natürlich. Das haben wir als Kinder gespielt.« Gray erinnerte sich gut daran.
    Sie nickte. »Gut. Alles, was man in diesem Spiel sagt und tut, ist das Gegenteil von dem, was man meint. Aber für Lucinda ist es kein Spiel. Sie hat sich aus einer schlimmen Lage befreit. Von schlechten Menschen. Man hat ihr immer beigebracht, dass sie nichts wert ist. Wenn also jemand freundlich zu ihr ist …« Sie ließ das Ende des Satzes offen und sah ihn an.
    Es war, als hätte Ember ihm einen Schlag in die Magengrube verpasst. Lucy hatte damit gerechnet, dass er sich ihr gegenüber mies verhalten würde – auch wenn sie ein kleines bisschen Hoffnung gehabt hatte, er wäre anders als all die anderen.
    »Sie waren nett zu ihr«, Gray musste nur eins und eins zusammenzählen, »und sie kam damit nicht klar.«
    »Das Gegensatzspiel«, murmelte Ember. »Sie braucht Zeit, um herauszufinden, was richtig für sie ist.« Jetzt betrachtete sie Gray eindringlich. Nur eines ihrer Augen war zu sehen durch die lila getönte Scheibe ihrer seltsamen Brille. »Vielleicht ist sie da nicht die Einzige.«
    »Vielleicht«, gab Gray ihr recht.
    »Na dann!« Ember setzte ein breites Grinsen auf und tätschelte seinen Arm. »Bleiben Sie noch auf einen Tee, Hüter? Ich habe genau das Richtige für Sie.«
    »Ich komme später wieder«, versprach er. »Jetzt muss ich erst etwas Dringendes erledigen.«
    »Natürlich. In dieser Nische hat sie gesessen. Vielleicht hat sie etwas hiergelassen.« Ember ließ seinen Arm los, nicht ohne ihn noch einmal zu tätscheln, und drehte sich um. Sie verschwand durch eine Schwingtür, auf der die Aufschrift »Küche« prangte.
    Gray untersuchte die Nische. Er kniete sich hin, rechts, wo Lucindas Anwesenheit am stärksten zu spüren war, und hoffte, etwas von ihr zu finden, womit er einen Ortungszauber starten konnte. Doch trotz sorgfältiger Suche spürte er nichts auf, nicht einmal eine Faser ihres Umhangs oder eine Fluse von ihrer Reisetasche.
    »Mist.« Er erhob sich und inspizierte noch einmal den Tisch. Er war immer noch feucht von … Oh! Lucinda hatte doch etwas hinterlassen.
    Ihre Tränen.
     
    »Ich bin so dumm«, schimpfte Lucinda mit sich selbst, als sie den geschotterten Seitenstreifen der Straße entlangging.
    Wind und Regen hatten sich miteinander verbündet, schneidende Böen und eisige Tropfen peitschten auf sie ein. Ihre Tennisschuhe waren völlig durchnässt, ihr Umhang konnte den strömenden Regen nicht mehr abhalten, sie fror und zitterte vor Kälte.
    So dumm. So unfassbar dumm war sie.
    Wieso hatte sie die Wärme und Sicherheit des neutralen Orts verlassen? Noch dazu, wo die alte Schrulle aus dem Café und der Schwachkopf mit der frisierten Karre ihr ans Leder wollten? Ihre Zeit mit Bernard hatte sie jedoch eins gelehrt: ihren Instinkten zu trauen. Zumindest wenn jemand sie angreifen wollte. Diese Instinkte hatten sich in den letzten drei Monaten, in denen sie auf der Suche nach Hilfe war, noch verfeinert. Oh Göttin! Wenn sie daran dachte, wie oft sie Bernard erlaubt hatte … Nein.
    Es war vielleicht ein Fehler gewesen. Doch allein sie selbst traf die Schuld dafür, dass sie sich mit Bernard eingelassen hatte. Und wofür? Sicherheit? Ja, das hatte gut funktioniert. Hübsche Kleider, ein luxuriöses Leben, Reisen in exotische Länder … Sie hatte ihre Würde und ihre Selbstachtung verkauft für Nichtigkeiten. Ihr einziger Trost war, dass sie unter einem Bann gestanden hatte. Ein Verpflichtungszauber wirkte immer am besten bei denen, die ohnehin willig waren.
    Die Rackmore-Hure.
    Das klang gut. Kam einem leicht über die Lippen.
    Lucinda ordnete ihre Gedanken neu. Die Vergangenheit war passé. Vorbei, vorbei, vorbei.
    Sie zog den Umhang enger um sich, doch der Verschluss war kaputt, sodass die Seiten immer wieder auseinanderfielen. Zuerst hatte der Umhang sie warm und trocken gehalten, doch das war nun vorbei. Der Regen hatte ihre Kleidung vollkommen durchnässt.
    Kaum hatte Ember ihr den Umhang aus dem Trockner gebracht und war dann wieder in die Küche verschwunden, war Lucy abgehauen. Es tat ihr leid, dass sie nicht mal auf einen Tee geblieben war, aber Embers Freundlichkeit kam ihr komisch vor. So als fände man einen Schokoladenkeks, wenn man gerade in eine Schlangengrube gefallen war.
    Außerdem wollte sie kein Unheil über Ember und ihre Teestube

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