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Eine Hexe in Nevermore

Eine Hexe in Nevermore

Titel: Eine Hexe in Nevermore Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Bardsley
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Zauberspruchs, die vonnöten gewesen waren, um Tausenden von Rackmores ihre Reichtümer zu entziehen und ihnen für immer vorzuenthalten. Er dagegen wusste die Kunstfertigkeit dieses Fluchs zu schätzen, die grausame Orchestrierung, derer es bedurfte, um ein so feines und doch unzerstörbares Netz des Unglücks zu weben. Das faszinierte ihn, das bewunderte er. Vor allem aber wollte er selbst diese Kunst beherrschen lernen.
    »Ich verspreche dir«, ließ er seinen Freund wissen, »dass die Hexe es nicht überleben wird. Doch vor ihrem Tod wird sie uns noch sehr nützlich sein.«
    »Wenn du das sagst. Welch aberwitzige Aktion soll ich diesmal für dich ausführen?«
    Lächelnd zog er den großen dummen Lennie vom Tisch weg, weg von der Magie. Dann erklärte er ihm die nächsten Schritte.
     
    »Aha. Da sind Sie ja endlich«, ließ sich eine weibliche Stimme mit jamaikanischem Akzent vernehmen. Eine große üppige Schwarze stand im Eingang. Sie war in schwarze und lilafarbene Umhänge gehüllt, ihre Finger zierten zahlreiche Ringe.
    »Tut mir leid.« Gray blickte sie irritiert an. »Hatten Sie mich erwartet?«
    Ihr dunkles Lachen kam für ihn unvorbereitet. Sie klopfte sich auf die Schenkel und jauchzte vor Freude. »Sie erwartet! Oh Mann, die Göttin hat echt einen Sinn für Humor! Sie erwartet!«
    »Tut mir leid, aber was ist daran so witzig?«
    »Das können Sie nicht verstehen«, erklärte die Frau, während sie sich langsam wieder beruhigte. »Wann haben Sie das letzte Mal gelacht, Hüter?«
    Offensichtlich schien niemand in dieser Stadt, nicht einmal die Neuankömmlinge, Respekt vor seiner Stellung zu haben. Er musste zugeben, er war nicht unbedingt der beste Hüter gewesen, den man sich vorstellen konnte – aber er war entschlossen, das zu ändern. Das hatten die Stadt und ihre Bürger verdient. Trotzdem. Dieser Tag hatte seinem Ego einen ziemlichen Schlag versetzt, und dafür trug nur einer die Schuld: er selbst.
    »Schon gut, keine Sorge«, beruhigte sie ihn, machte einen Schritt auf ihn zu und fasste ihn am Ellenbogen. »Alles geschieht zu einem Zweck. Nur nicht immer zu dem, der einem gefällt. Oder wie man es gerne hätte. Aber manchmal erkennt man auch nicht, was gut für einen ist.« Sie tippte sich an die linke Schläfe, wodurch seine Aufmerksamkeit auf die geschwärzte Hälfte ihrer seltsamen Brille fiel. Er spürte die Magie, die von ihr ausging, und gleichzeitig ihre aktivierten Schutzschilde. Als er herausfinden wollte, wieso eine so seltsame Magie von ihr ausging, ließ sie einen Laut des Tadels hören und wedelte mit dem Zeigefinger vor ihm wie vor einem ungezogenen Kind.
    »Also bitte! Hören Sie auf damit. Ich bringe nur gutes Juju nach Nevermore, ich verspreche es.«
    »Sie werden mir nachsehen, dass ich etwas skeptisch bin.«
    Sie kicherte. »Aber doch nicht so skeptisch, wo Sie bisher nicht persönlich bei mir und Rilton vorbeigeschaut haben. Wohl doch nicht ganz so besorgt, was?«
    Ihr Akzent klang hin und wieder stärker, wie ein Radiosender, der ab und zu für einen Moment verschwand, dachte Gray. Leider stimmte das, was sie sagte. Er hatte das Akzeptanz-Gespräch nicht selbst mit ihr geführt, sondern Taylor damit beauftragt, alle Neuankömmlinge mit magischen Kräften zu überprüfen. Taylor war sehr gewissenhaft und noch skeptischer als Gray, und er hasste jede Form von Veränderung- das betraf vor allem Neuankömmlinge in der Stadt. Ember und ihr Mann mussten den Sheriff also nachhaltig beeindruckt haben, da sie das Bleiberecht erhalten hatten.
    »Also. Sie lassen sie hierbleiben.« Während sie sprach, hatte Ember ihn in den hinteren Teil ihrer Teestube geführt. Das war keine Frage gewesen, die sie da formuliert hatte. Und ihm war spontan klar, dass sie mit »sie« nur Lucinda meinen konnte.
    »Ist sie hier?«
    Ember blieb vor einer leeren Nische stehen. Gray warf einen oberflächlichen Blick darauf, stellte aber nur fest, dass der Tisch feucht war und es leicht nach Erde und Regen roch. Er öffnete seine Sinne weiter, und da filterte sein Schild Emotionen heraus: Verzweiflung, Erleichterung, Panik.
    Lucy.
    »Wo ist sie hin?«
    »Keine Ahnung.« Ember schüttelte den Kopf. »Manchmal, wenn Menschen versehrt wurden, betrachten sie alles lieber aus der umgekehrten Perspektive.«
    Gray hob fragend die Brauen. »Was soll das bedeuten?«
    Anscheinend war Ember enttäuscht von ihm, denn sie seufzte auf. Diese Frau irritierte ihn. Er war kein elender Zauberlehrling mehr, und doch schaffte

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