Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Mond folge einer Bahn, die ihn manchmal doppelt so nahe an die Erde heranführte wie zu den anderen Zeiten. Das wiederum bedeutete, der Mond müßte manchmal doppelt so groß erscheinen wie sonst! Ptolemäus war sich dieser Schwäche seines Systems bewußt. Dennoch wurde es allgemein, wenn auch nicht ausnahmslos, akzeptiert. Die christliche Kirche übernahm es als Bild des Universums, da es sich in Einklang mit der Heiligen Schrift bringen ließ, denn es hatte den großen Vorteil, daß es jenseits der Sphäre der Fixsterne noch genügend Platz für Himmel und Hölle ließ.
Ein einfacheres Modell schlug 1514 Nikolaus Kopernikus, Domherr zu Frauenburg (Polen), vor. (Vielleicht aus Angst, von seiner Kirche als Ketzer gebrandmarkt zu werden, brachte er seine Thesen zunächst anonym in Umlauf.) Er vertrat die Auffassung, die Sonne ruhe im Mittelpunkt, um den sich die Erde und die Planeten in kreisförmigen Umlaufbahnen bewegten. Fast ein Jahrhundert verging, bis man sein (heliozentrisches) Modell ernst zu nehmen begann. Den Anstoß gaben zwei Astronomen, Johannes Kepler in Deutschland und Galileo Galilei in Italien, die für die Kopernikanische Theorie öffentlich eintraten, und das, obwohl die von ihr vorhergesagten Umlaufbahnen mit den tatsächlich beobachteten nicht ganz übereinstimmten. Zur endgültigen Widerlegung des Aristotelisch-Ptolemäischen (geozentrischen) Modells kam es 1609. In diesem Jahr begann Galilei, den Nachthimmel mit einem Fernrohr zu beobachten, das gerade erfunden worden war. Als er den Planeten Jupiter betrachtete, entdeckte er, daß dieser von einigen kleinen Satelliten oder Monden begleitet wird, die ihn umkreisen. Galileis Schlußfolgerung: Nicht alles muß direkt um die Erde kreisen, wie Aristoteles und Ptolemäus gemeint hatten. (Natürlich konnte man auch jetzt noch glauben, daß die Erde im Mittelpunkt des Universums ruhe und daß die Jupitermonde sich auf äußerst komplizierten Bahnen um die Erde bewegten, wobei sie lediglich den Eindruck erweckten, sie kreisten um den Jupiter. Doch die Kopernikanische Theorie hatte einen entscheidenden Vorteil: Sie war weitaus einfacher.) Zur gleichen Zeit hatte Johannes Kepler an einer Abwandlung der Kopernikanischen Theorie gearbeitet und schlug vor, daß sich die Planeten nicht in Kreisen, sondern in Ellipsen bewegten (eine Ellipse ist ein länglicher Kreis). Jetzt deckten sich die Vorhersagen endlich mit den Beobachtungen.
Für Kepler waren die elliptischen Umlaufbahnen lediglich eine Ad-hoc-Hypothese und eine ziemlich abstoßende dazu, weil Ellipsen weit weniger vollkommen sind als Kreise. Nachdem er fast zufällig entdeckt hatte, daß elliptische Umlaufbahnen den Beobachtungen recht genau entsprachen, konnte er sie jedoch nicht mit seiner Vorstellung in Einklang bringen, daß magnetische Kräfte die Planeten um die Sonne bewegten. Eine Erklärung wurde erst viel später geliefert, im Jahre 1687, als Sir Isaac Newton die «Philosophiae naturalis principia mathematica» veröffentlichte, wahrscheinlich das wichtigste von einem einzelnen verfaßte physikalische Werk, das jemals erschienen ist. Dort entwarf Newton nicht nur eine Theorie der Bewegung von Körpern in Raum und Zeit, sondern entwickelte auch das komplizierte mathematische Instrumentarium, das zur Analyse dieser Bewegungen erforderlich war. Darüber hinaus postulierte er ein allgemeines Gravitationsgesetz, nach dem jeder Körper im Universum von jedem anderen Körper durch eine Kraft angezogen wird, die um so größer ist, je mehr Masse die Körper haben und je näher sie einander sind. Dieselbe Kraft bewirkt auch, daß Gegenstände zu Boden fallen. (Die Geschichte, ein Apfel, der Newton auf den Kopf gefallen sei, habe ihm zu dieser Eingebung verholfen, gehört wohl ins Reich der Legende. Newton selbst hat lediglich erklärt, der Gedanke an die Schwerkraft sei durch den Fall eines Apfels ausgelöst worden, als er «sinnend» dagesessen habe.) Daraus leitete Newton dann ab, daß nach seinem Gesetz die Schwerkraft den Mond zu einer elliptischen Bewegung um die Erde und diese sowie die anderen Planeten zu elliptischen Bahnen um die Sonne veranlaßt.
Das Kopernikanische Modell löste sich von den Ptolemäischen Himmelssphären und damit von der Vorstellung, das Universum habe eine natürliche Grenze. Da die «Fixsterne» ihre Positionen nicht zu verändern schienen – von einer Rotation am Himmel abgesehen, die durch die Drehung der Erde um ihre eigene Achse verursacht wird –, lag die
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