Eine Lady nach Maß
gemacht haben, aber es gibt keinen Grund dazu. Sie sind offiziell die Besitzerin des Grundstückes. Sie müssen sich nicht entschuldigen oder mich entschädigen. Ich kann damit leben.“
Er schob seinen Hut zurecht, damit er sie besser sehen konnte. Sie würdigte ihn keines Blickes, aber ein kleines Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie auf ihre Hände starrte. Er war froh, dass er das geklärt hatte.
„Danke für Ihr Verständnis, Mr Tucker. Ich hoffe, zwischen uns wird es deshalb keine Uneinigkeiten geben.“
J.T. murmelte eine unverständliche Antwort. Er konnte wohl kaum widersprechen und sagen, dass ihre Uneinigkeiten schon begonnen hatten, bevor sie sich überhaupt kennengelernt hatten. Das würde ihn engstirnig erscheinen lassen. Was er nicht war. Nicht wirklich. Er hatte ja kein Problem mit Miss Richards als Person. Sie schien nett zu sein. Doch ihr Beruf war eine ganz andere Sache.
Er hatte unmittelbar miterlebt, welchen Schaden Geltungssucht einer Frau antun konnte, einer ganzen Familie. Frauen schwärmten von Kleidern aus Paris, bis sie mit ihrem einfachen Leben unzufrieden wurden. Dann fingen sie an, ihre Männer zu verachten, die ihnen einen aufwendigen Lebensstil nicht bezahlen konnten.
Er war schon des Öfteren in Gottesdiensten gewesen und hatte Frauen gesehen, denen es offensichtlich eher darum ging, eine Modenschau zu veranstalten, als Gott zu ehren. Wer hatte den ausgefallensten Hut? Wessen Kleid war nach der neusten Mode geschneidert? Wessen Kleid war aus dem teuersten Stoff? Sich sonntags ordentlich zu kleiden war eine Sache, doch mehr Aufmerksamkeit erheischen zu wollen, als Gott gebührte, war seiner Meinung nach unanständig.
Engstirnig? Keinesfalls. War es engstirnig, Saloons und Bordelle zu meiden? Sie boten Dinge, die die Menschen vom rechten Weg abbrachten. Ausgefallene Kleider taten genau das Gleiche, nur auf eine Art und Weise, die die Gesellschaft akzeptierte.
J.T. biss die Zähne zusammen, sodass der Zahnstocher wieder einmal zerbrach. Er wandte den Kopf zur Seite und spuckte die beiden Hälften aus. Er legte den Kopf in den Nacken, um seine innere Anspannung zu vertreiben. In Gedanken alles breitzutreten, half ihm nicht weiter.
Außerdem hatte ihn das Gespräch über Gottes Vorsehung ins Grübeln gebracht, ob nicht vielleicht doch der Herr Miss Richards nach Coventry gebracht hatte. Er vermutete, dass Gott durchaus einen Platz für eine Schneiderin in der Stadt haben könnte, wenn er sogar Rahab mit ihrem unmoralischen Lebenswandel dazu hatte gebrauchen können, seinem Volk zum Sieg zu verhelfen. Es war unwahrscheinlich. Sehr unwahrscheinlich. Aber möglich.
* * *
Hannah konnte immer noch nicht glauben, dass sie endlich in ihrem neuen Zuhause angekommen war. Neugierig sog sie die ersten Eindrücke von Coventry in sich auf, als sie an den Geschäften vorbeirollten. Zwei gut gekleidete Männer unterbrachen ihre Unterhaltung vor einem großen Gebäude und sahen zu ihr hinüber. Sie nickten zum Gruß. Hannah lächelte zurück.
„Wir haben dieses Hotel erst vor ein paar Monaten fertiggestellt“, erklärte Mr Tucker, als er seinerseits die Männer gegrüßt hatte.
Hoffnung keimte in ihr auf. Obwohl Coventry viel kleiner war als San Antonio, schien es zu wachsen. Die Bahnstrecke, ein neues Hotel, Geschäftsmänner, die die Stadt besuchten. Geschäftsmänner, die Ehefrauen hatten. Ehefrauen, die Kleider nach der neusten Mode haben wollten. Ja, hier gab es definitiv die besten Möglichkeiten.
Als sie ein Stück weitergefahren waren, ließ ihre Hoffnung wieder ein wenig nach. Während Mr Tucker ihr pflichtbewusst die verschiedenen Häuser zeigte, die Bank, das Telegrafenbüro, die Apotheke, beobachtete Hannah die Frauen, die auf den Bürgersteigen mit Einkaufskörben am Arm vorbeigingen. Ihre Kleider waren einfach, schlicht. Kümmerten sie sich nicht um Mode? Oder schlimmer: Hatten sie etwa kein Geld, um sich bessere Kleider zu leisten? Hannah war überzeugt, dass ihre Kleider hier gut ankommen würden, aber wenn niemand sie sich leisten könnte …
Hannahs Fingernägel gruben sich in ihre Handflächen. Nein. Sie würde nicht schon wieder in ihren Zweifeln versinken. Gott hatte sie aus einem bestimmten Grund nach Coventry gebracht. Es hatte nichts zu bedeuten, dass die Stadt klein war oder die Einwohner nicht zur besseren Gesellschaft gehörten. Sie hatte sich genau auf diesen Fall vorbereitet, hatte praktische, alltagstaugliche Schnitte entworfen und strapazierfähige
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