Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)
dafür gewonnen werden sollten. (Ich bekam immerhin 2 Belegexemplare.)
Deswegen habe ich damals auf meiner Homepage versprochen, dass diese Story irgendwann auch mal woanders erscheinen würde: Und hier ist sie nun. Nicht mehr ganz aktuell, denn meines Wissens sind die Fußballfans von Ross 780 nicht aufgetaucht, als im Sommer 2006 ganz Deutschland feierte – aber wer weiß? Vielleicht kommen sie ja das nächste Mal …
Sie duften nach Zimt. Ihre eigene Sprache hört sich an wie Vogelgezwitscher auf halber Geschwindigkeit, und die meisten von ihnen verwechseln hoffnungslos die Vokale, wenn sie sich in einem irdischen Idiom versuchen. Alle vier Jahre sind sie plötzlich wieder da, hocken scharenweise in den Straßencafés und trinken z’ip’shuit, lauwarmes Wasser mit zwei Tropfen Kaffee darin, und wenn man sich dazusetzt, verwickeln sie einen, ehe man es sich versieht, in Diskussionen über Obseits und Teerdifferanz, Mattelstörmer und Lunksaußen. Spätestens dann weiß man, dass wieder eine Fußballweltmeisterschaft bevorsteht.
Ich war vielleicht fünf oder sechs, jedenfalls noch ein Kind, als ich sie das erste Mal gesehen habe. Ich saß mit meinem Großvater im QCE von Frankfurt nach Straßburg, und am Vierertisch neben uns saßen welche. »Du brauchst keine Angst zu haben«, erklärte mir Großvater auf meine geflüsterte Frage leise, »das sind Endoraner. Vom Planeten Endora.« Zu der Zeit war, was ich natürlich nicht wusste, in Frankfurt gerade das erste europäische Landeterminal für endoranische Raumschiffe errichtet worden.
Bestimmt habe ich sie die ganze Fahrt über angestarrt. Damals kamen sie mir noch groß vor, obwohl sie einem erwachsenen Menschen meist nur gerade bis zur Brust reichen. Ich staunte über ihre enormen Köpfe und die großen – ich meine, die wirklich riesigen – schwarzen Augen. Und wie sie mit ihren mageren Armen und den langen, spinnendünnen Fingern an den Händen gestikulierten beim Reden! (Dass es sechs Finger an jeder Hand sind, fiel mir damals noch nicht auf.) Und sie lasen Fußballzeitungen. Einer von ihnen – vielleicht auch eine, so genau weiß man das bei Endoranern ja nie – sprach ein bisschen Deutsch und fragte mich freundlich, wer meiner Meinung nach Fußballweltmeister würde.
»Deutschland«, erklärte ich im Brustton kindlicher Überzeugung. Sie nickten alle, lächelten und schienen sehr ernst zu nehmen, was ich sagte. Und ich weiß noch, wie ich mich wunderte, dass Wesen, die aus dem Weltall kamen, von einem furchtbar weit entfernten fremden Planeten, sich ausgerechnet für Fußball interessierten.
Mein Großvater hat mir erzählt, wie es war, als sie das erste Mal dieErde besuchten. Er ist nämlich dabei gewesen an jenem denkwürdigen Tag, er und fünfzigtausend andere, damals, während der Weltmeisterschaft 2006, als mitten im Spiel Frankreich gegen Südkorea urplötzlich dieses riesige Raumschiff über dem Westfalenstadion auftauchte. In der 56. Spielminute, heißt es in den Büchern lapidar.
Das löste natürlich erst einmal Entsetzen aus. Aliens! Extraterrestrische Intelligenzen! Wesen von einem anderen Stern, der Menschheit offensichtlich technisch haushoch überlegen! Alle hatten Angst. Was um alles in der Welt wollten sie? Uns angreifen? Die Erde erobern? Die Menschheit vernichten oder versklaven?
Wie sich herausstellte, war alles, was sie wollten, Fußball zu spielen.
Der Planet Endora umkreist, wie heutzutage jedes Kind weiß, die im Sternbild Wassermann gelegene Sonne Ross 780 in 15,34 Lichtjahren Entfernung. Es dauerte also genau 15 Jahre, 4 Monate und ein paar Tage, bis die ersten Fernsehsendungen, die hier auf der Erde ausgestrahlt worden sind, Endora erreichten und dort aufgefangen wurden. Sie tüftelten bald heraus, was die Signale zu bedeuten hatten und wie man sie zu Bild und Ton zusammensetzte, und verfolgten dann das irdische Fernsehprogramm mit zunächst eher verhaltenem Interesse.
Bis sie eines Tages ihre erste Fußballweltmeisterschaft zu sehen bekamen: Mexiko 1970, die erste vollständig per Satellit in alle Welt – und natürlich auch in den Weltraum – übertragene Fußball-WM der Geschichte. So um das Jahr 1985 erreichten die Funkwellen von damals Endora, und aus irgendeinem Grund, den, glaube ich, keiner so richtig versteht, nicht einmal die Endoraner selber, brach daraufhin dort die absolute Fußballbegeisterung aus. Die Aliens begannen zu kicken, und als sie heraushatten, wie das ging, gründeten sie Mannschaften
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