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Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)

Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)

Titel: Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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aufklebte, vertauschte ich die beiden Röhrchen.
    Pünktlich drei Wochen, nachdem ich die Proben abgegeben hatte, klagten beide über Schmerzen im Rücken, mein Kollege aus der Siedlung und die dumme Kuh. Ihm riet ich, sich orthopädische Schuhe anzuschaffen. Der dusseligen Kuh gab ich den Prospekt der Praxis für Schmerztherapie.
    Sie muss auch hingegangen sein, und nicht nur einmal, denn sie rief irgendwann an und beschwerte sich, wie viel Geld sie für diese Behandlungen ausgegeben hätte, und nichts täten sie helfen. Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass sie in irgendeiner Fachklinik liegt und sich fortwährend am Rücken operieren lässt. Ich meine, gut, sie war ein Aas, aber es gibt Grenzen, oder? Am liebsten hätte ich dem Doktor als Nächstes ein Büschel seiner eigenen Haare untergejubelt, damit er sich mal kräftig selber piesackt, bloß fiel mir dabei auf, dass er schon ewig nicht mehr zum Haareschneiden zu mir kam. Seltsam, oder?
    Kurz darauf fuhr ich zu meinem Kollegen aus der Siedlung, einerseits, weil mein Haarschnitt überfällig war, hauptsächlich aber, weil ich mich vergewissern wollte, wie es ihm ging, und siehe da, dem ginges blendend. Er bedankte sich für den Tipp mit den orthopädischen Schuhen, die Schmerzen seien weg wie nie gewesen. Und dann sagte er, während er mir die Nackenpartie stutzte: »Übrigens, wie das Leben so spielt. Seit neuestem kommt ein Arzt zu mir, der auf Schmerztherapie spezialisiert ist.«
    Ich sagte »Ach, wirklich?«. Da war er also abgeblieben, mein Zauberdoktor.
    »Ja. Arbeitet mit chemischen Haaranalysen. Hat mich gebeten, die Haare meiner Kunden für ihn zu sammeln, damit er die in einem Institut in der Ukraine vorab untersuchen lassen kann, nur für den Fall, dass mal einer zu ihm kommt. Er zahlt sogar was dafür, und nicht wenig. Ich meine, ich kann mir kaum vorstellen, dass sich das lohnen soll, aber das ist ja sein Problem letzten Endes.«
    Ich schaute an mir herunter, sah meinen Haaren nach, die am Frisierumhang abwärts rutschten und sich rund um den Sessel am Boden versammelten, und murmelte irgendwas, ich weiß nicht mehr, was. So also lief das. Ich sah sie schon büschelweise in ein schwarzes Ouanga eingearbeitet, konnte den kommenden Nadelstich, der mir unerträgliche Schmerzen bescheren würde, förmlich kommen fühlen. Ausgetrickst. All das schöne Geld, das er mir bezahlt hatte, würde er mir jetzt nach und nach fein wieder abknöpfen, und ich würde froh sein können, wenn es dabei blieb.
    Ungefähr um diese Zeit machte unser Sohn seinen Abschluss, war also endlich richtiger Rechtsanwalt, und es ging drum, ob er eine eigene Kanzlei eröffnen sollte oder erst mal woanders einsteigen.
    »Ich kann dir einen Werbegrafiker empfehlen«, meinte ich, weil ich es kaum erwarten konnte, einen Rechtsanwalt in der Familie zu wissen. Womöglich würde ich ihn demnächst brauchen. »Für Prospekte und Anzeigen und solchen Kram, meine ich.«
    Sie hätten sehen sollen, wie er mich angeschaut hat. Wie man einen Deppen anschaut, ehrlich. Mitleidig. Ich hasse so was. »Ach Vater«, sagte er. »Rechtsanwälte dürfen doch keine Werbung machen. Ein Schild an der Tür, ein Eintrag in den Gelben Seiten, das ist es schon.«
    »Keine Werbung?« Ich konnte es nicht fassen. Ich meine, ich kannmir gar nicht vorstellen, wie ein Geschäft auf diese Weise in Gang kommen soll, oder?
    »Unerlaubte Werbung ist ein Grund, die Zulassung sofort und unwiderruflich zu verlieren«, erklärte er mir. »Das ist nicht nur bei Rechtsanwälten so, auch bei Ärzten zum Beispiel. Wusstest du das nicht?«
    So, nun schauen wir mal. Warten Sie, ich hole den Spiegel, damit Sie sich von hinten sehen … Gut so? Danke. Wenn Sie das Haar so herüber kämmen, übrigens, und ein bisschen Haarspray drauftun, dann fallen die lichten Stellen praktisch nicht mehr auf. Nur als Tipp, meine ich.
    Übrigens ist die Praxis für Schmerztherapie kurz danach von Amts wegen geschlossen worden. Nicht, weil jemand irgendwelchen Voodoo-Praktiken auf die Schliche gekommen ist, nein. Das hätten Sie in der Zeitung gelesen, glaube ich. Nein, der Grund war völlig banal: unerlaubte Werbung. Irgendjemand hat anscheinend ein paar Prospekte an die zuständigen Stellen geschickt, und die haben kurzen Prozess gemacht. Es ist nie herausgekommen, wer es war. Aber Tatsache ist nun mal, Ärzte dürfen keine Werbung für ihre Praxis machen, die über ein Schild an der Tür hinausgeht, und selbst wie das aussehen darf, ist genau

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