Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)
Haarwedeln der Pflanzen, die aus unergründlichen Tiefen bis hier herauf wuchsen, wo die Jeng lebten. Luftplankton wehte ihm entgegen, und er sättigte sich.
Schließlich tauchten die Nester der Thlox aus dem Dickicht auf. Einige Stammesbrüder grüßten ihn, aber er gesellte sich nicht zu ihnen, sondern flog direkt zu seiner Nestkugel. Er war müde. Er zog den Dornenverschluss vor das Schlupfloch, reinigte seinen Bauchstachel und begab sich zur Ruhe.
Der Versammlungsplatz war der Ort, an dem die Thlox einander Geschichten erzählten; Begebenheiten von Streifzügen durch den Wald oder die alten Legenden von den Geheimnissen der Tiefe, aus der die Pflanzen kamen und in die ein Jeng erst zu gelangen vermochte, wenn er tot war. Doch als Chi’thlox an diesem Morgen am Versammlungsplatz eintraf, herrschte dort nur allgemeine Aufregung. Einer der Ältesten wurde vermisst, und alle machten sich große Sorgen, denn in der Nähe der Thlox-Nester war ein Jeng vom Stamm der Diak gesehen worden, der herumstreunte und in der Hitze war.
Wir müssen ihn suchen. Si’thlox, der Zweitälteste, teilte Gruppen ein, und auch Chi’thlox wurde einer Gruppe zugeteilt, ehe er recht verstanden hatte, was los war.
Als die Gruppen ausschwärmten, hatte Chi’thlox große Mühe mitzuhalten, denn sein Bauchstachel tat noch weh von seinem Ashig mit dem Lerng, und während die anderen elegant in alle Richtungen davonstoben, konnte er sich nur unbeholfen bewegen. Die Thlox seiner Gruppe, allesamt viel jünger als er und völlig aufgeregt, bemerkten nicht einmal, dass er zurückblieb. Verdrießlich gab Chi’thlox schließlich auf und machte kehrt.
Und da war er plötzlich.
Der Diak.
Jung, schnell und stark. Und unübersehbar in der Hitze.
Ein heißer Schreck durchfuhr Chi’thlox, und er hielt inne, unfähig, sich zu bewegen. Sein Blick wurde wie magisch von dem großen, geschwollenen Bauchstachel des Diak angezogen, und er hatte fast den Eindruck, ihn pochen zu sehen. Unzählige Male hatte er über diesen Moment nachgedacht, wann es geschehen und was er dann tun würde, und war so sicher gewesen, jedem anderen Jeng entkommen zu können. Aber jetzt war er wie gelähmt. Wie ging die Redensart? Wenn du dem begegnest, der dein Schicksal ist, dann weißt du es.
Der Diak glitt langsam näher. In seinen Sehfeldern schimmerte das Begehren.
Regungslos ließ Chi’thlox zu, dass der Diak ihn berührte, ihm über die Fühler strich, sanft die Hautfalte unter dem Panzer erkundete. Ein eigentümliches Prickeln ging von diesen Berührungen aus.
Anderen bin ich entkommen, dachte Chi’thlox. Diesem nicht. Dieser ist meine Bestimmung.
Ein Schauder überlief ihn. Plötzlich wünschte er sich, dass es geschehen sollte. Ja – es sollte so sein. Ja. Ja.
Schwerfällig wälzte er sich herum, bot dem Diak den Rücken dar, erwartete bebend dessen Griff um die Kanten seines Rückenpanzers. Etwas Hartes, Großes berührte seine Shing, und eine fast narkotisierende Lähmung kroch von dort unter die Panzerblätter.
Ich liebe dich, Thlox.
Chi’thlox schrie auf. Ein Hieb spaltete ihn in zwei Hälften, ein Strahl glutflüssigen Feuers durchbohrte ihn, und der Schmerz zerrissdie ganze Welt. Noch nie hatte er annähernd so Furchtbares empfunden. Er flehte, er wand sich, er tobte und er winselte, aber der Griff seines Peinigers war fest und unnachgiebig. Er versuchte zu entkommen, zu fliehen, schrie um Hilfe, während ihm jedes Organ im Körper zerfetzt wurde, doch irgendwann erlahmten seine Kräfte, und sein Schreien erstarb. Er verlor erst das Bewusstsein, als der Diak von ihm abließ und ihn achtlos in die Tiefe warf, eine einzige offene Wunde.
Er kam dort zu sich, wo ein Jeng nicht mehr tiefer gelangen kann. Das Innere seines Körpers brannte, als er sich auf den mühsamen Weg zurück nach oben machte, zurück zu den Nestern. Mehrmals wurde ihm schwindlig, und er musste innehalten.
Seine Gedanken waren wie in Wolken gehüllt. Er hatte nur den Wunsch, sich in sein Nest zu verkriechen und Ruhe zu finden, bis der Schmerz nachließ. Nur Ruhe …
Aber als er endlich aus den dunklen Tiefen emporgelangt war, begegnete ihm Nere’thlox, der natürlich sofort erkannte, dass Chi’thlox shir war.
Der Diak?
Was konnte er entgegnen? Was, das nicht unschicklich gewesen wäre? So begnügte er sich mit Zustimmung und glitt an dem jungen Thlox vorüber.
Später, viel später, als der Schmerz einer dumpfen Taubheit gewichen war, brachten ihm einige des Stammes
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