Eine unberührte Welt - Band 5 (German Edition)
Die Liebe der Jeng
Eine sehr alte Geschichte. Ich habe sie in den späten 80ern geschrieben und wieder hervorgekramt, als Jean-Marc Ligny mich um einen Beitrag für seine Anthologie »Cosmic Erotica« bat. Ein wenig überarbeitet, erschien sie 1999 auf Französisch das erste Mal.
Keim der Grundidee war die Beobachtung, dass Sex ja keineswegs immer nur etwas Schönes ist, sondern dass wir einander im Sex und mit dem Sex oft auch weh tun. Was, so die Frage, wäre, wenn Wesen schon von der Natur aus so gebaut wären, dass sie überhaupt nur die Vergewaltigung kennen – sprich, dass der Geschlechtsakt unweigerlich immer für den einen höchste Freude und für den anderen höchste Pein wäre? Und was, wenn diese Rollen wechseln könnten?
Chi’thlox spürte die Hitze in sich. Der Anblick des reifen Lerng ließ ihn zittern vor Verlangen. Du bist schön. Er schwebte näher, sah atemlos, wie der Lerng regungslos verharrte, wie seine Sehflächen bebten, verhießen, dass es wieder geschehen würde. So schön. Chi’thlox berührte ihn, behutsam, kostete die weichen Konturen des vollen, reifen Körpers. Du bist vollendet. Er glitt noch dichter heran, liebkoste die zarte Haut am Ansatz des Rückenpanzers, und so trieben sie gemeinsam dahin durch die wogenden Wipfel des unermesslichen Waldes, der die Welt war, über sich nur die graugrünen Himmelsnebel. Zeig mir, dass du es willst, Lerng.
Langsam bewegte sich der andere Jeng, drehte ihm den Rücken zu. Ja, zeig es mir. Chi’thlox erbebte bei dem Anblick, den die makellose Nahtlinie der Rückenpanzer bot und darunter, am Ende der Naht, die dunkle, verheißungsvolle Öffnung der Shing. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der schöner war als du. Er umklammerte die Rückenplattendes Lerng, schob sich in die richtige Position, spürte seinen aufgerichteten Bauchstachel heiß und prall pulsieren, als die pochende Spitze sanft auf der feuchten Membran aufsetzte.
Es ist fast schade um dich.
Damit rammte er ihm den Bauchstachel in die Shing, tief hinein, mit einer einzigen, harten Bewegung, so, wie es am besten war, und der Sturm unbeschreiblicher Lust ließ ihn alles um sich herum vergessen. Vergessen war das Wissen, dass sein Vergnügen Schmerz bedeutete für den anderen. Alles, was er wahrnahm, waren die süßen Kontraktionen seiner Stachelmuskeln, war das heiße, fordernde Strömen in den fremden Leib. Er bemerkte nur am Rande, wie der Lerng sich krümmte und wand vor Pein, hörte kaum seine Schreie, und sie bedeuteten nichts. Es gab nur Lust, das Universum war Lust.
Dann ließ es nach und war vorbei. Chi’thlox zerrte seinen Stachel aus dem Leib des anderen, gab ihn frei, spreizte wohlig die Flanken und glitt in die Höhe, während der Lerng in dunstene Tiefen flüchtete. Keine Eile. Er schwebte reglos, spürte der Süße nach, die noch in ihm war, fühlte das Pochen seines ermattenden Organs. So weit der Blick reichte, wogte das silbern glänzende Meer der Pflanzen unter dem ewig dunstverhangenen graugrünen Firmament. Eines der helleren Himmelslichter versank gerade am Horizont, und der schnurgerade Rand der Weltenscheibe glänzte geheimnisvoll. Was für ein Wohlgefühl. Was für ein wunderbarer Tag.
Chi’thlox!
Ein anderer Jeng kam aus der Tiefe auf ihn zugeschossen. Chi’thlox ging in Kampfhaltung, bis er die Stammestätowierungen des anderen erkennen konnte, die ihn ebenfalls als Thlox auswiesen.
Es war Nere’thlox. Sein Bauchstachel war halb aufgerichtet und leicht angeschwollen, und Chi’thlox bemühte sich, es nicht zu bemerken. Es war ungehörig, den Stachel eines Stammesbruders zu betrachten, der in der Hitze war.
Sei gegrüßt, Nere’thlox.
Nere’thlox umkreiste ihn aufgeregt. Oh, Chi’thlox, du hast ashigt!
Ja, gerade eben.
Wer war es?
Einer vom Stamm der Lerng. Der schönste Jeng, den ich je gesehen habe. Er war bestimmt noch reifer als unser Ältester.
Nere’thlox ließ sich etwas absinken. Es war unübersehbar, dass er neidisch war.
Du hast immer so ein Glück. Kannst du mir nicht auch mal etwas lassen? Du hast doch schon so oft ashigt.
Ja, und stell dir vor: Ich kann gar nicht genug davon kriegen!
Damit ließ sich Chi’thlox spielerisch hinabstürzen, bis er zwischen den Pflanzen verschwand. Nere’thlox sandte ihm irgendetwas Unfreundliches hinterher, folgte ihm aber nicht, sondern zog weiter, in Richtung auf die Nester der Irh.
Chi’thlox glitt gemächlich durch den silbernen Dunst des Halbdunkels zwischen den Stämmen und
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