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Eines Abends in Paris

Eines Abends in Paris

Titel: Eines Abends in Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Barreau
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ein »guter« Film war. Und ein guter Film war ein Film mit einer Idee. Ein Film, der die Menschen berührte, der ihnen Mitgefühl entgegenbrachte bei dem schwierigen Versuch zu »sein«. Der ihnen einen Traum mit auf den Weg gab, an dem sie sich festhalten konnten, in diesem Leben, das nicht immer einfach war.
    Cocteau, Truffaut, Godard, Sautet, Chabrol, Malle – sie waren wie Nachbarn für mich.
    Ich drückte dem Kleinganoven aus Außer Atem die Daumen, ich streifte mir mit Orphée die dünnen Handschuhe über und teilte Spiegel, um hindurchzuschreiten und Eurydice aus der Unterwelt zu befreien. Ich bewunderte die überirdisch schöne Belle aus La Belle et la Bête, wenn sie mit ihrem hüftlangen blonden Haar und einem flackernden fünfarmigen Leuchter vor dem traurigen Monster die Treppe emporschritt, und bangte mit dem jüdischen Intendanten Lucas Steiner aus Die letzte Métro, der sich in einem Keller unter seinem Theater versteckt halten und mit anhören musste, wie sich oben auf der Bühne seine Frau in einen Schauspielerkollegen verliebte. Ich schrie mit den Jungen aus Der Krieg der Knöpfe, die sich gegenseitig verprügelten. Ich litt mit dem verstörten Baptiste aus Kinder des Olymp, der im Gedränge seine Garançe für immer verlor, war zutiefst entsetzt, als Fanny Ardant in Die Frau nebenan am Ende ihren Liebhaber und anschließend auch noch sich selbst in den Kopf schoss, fand Zazie aus Zazie dans le Métro ziemlich schräg mit ihren großen Augen und ihrer Zahnlücke und lachte über die Marx Brothers in der Oper und all die schlagfertigen Wortgefechte der streitbaren Paare in den Komödien von Billy Wilder, Ernst Lubitsch und Preston Sturgis, die bei Onkel Bernard immer nur Les Américains hießen.
    Preston Sturgis, so erklärte mir Onkel Bernard einmal, hatte sogar die goldenen Regeln für eine Filmkomödie aufgestellt: Eine Verfolgungsjagd ist besser als ein Gespräch. Ein Schlafzimmer ist besser als ein Wohnzimmer, und eine Ankunft ist besser als eine Abreise. Diese Regeln der Komik weiß ich noch heute.
    Les Américains waren natürlich nicht so impressionistisch wie »wir Franzosen«, aber sie waren äußerst komisch und ihre Dialoge waren sehr pointiert – anders als bei den französischen Filmen, wo man oft das Gefühl hatte, heimlicher Zeuge wortreicher Diskussionen zu sein, die auf der Straße, im Café, am Meer oder im Bett stattfanden.
    Man kann sagen, dass ich schließlich mit dreizehn Jahren schon sehr viel über das Leben wusste, auch wenn ich selbst noch nicht viel erlebt hatte.
    Alle meine Freunde hatten schon ein Mädchen geküsst, ich träumte von der schönen Eva Marie Saint, die ich gerade in einem Hitchcock-Thriller gesehen hatte. Oder von dem lichtdurchfluteten Mädchen aus Jeux interdits, die inmitten der Gräuel des Zweiten Weltkriegs mit ihrem kleinen Freund Michel eine eigene Welt erschafft und Kreuze für tote Tiere auf einem geheimen Friedhof aufstellt.
    Marie-Claire, ein Mädchen aus unserer Schule, erinnerte mich an die kleine Heldin aus Verbotene Spiele, und eines Tages lud ich sie zu einer Nachmittagsvorstellung in das Kino meines Onkels ein. Ich habe tatsächlich vergessen, was an diesem Tag gespielt wurde, aber ich weiß noch, dass wir uns den ganzen Film über an unseren verschwitzten Händen hielten und ich sie nicht einmal losließ, als meine Nase entsetzlich zu kribbeln begann.
    Als der Abspann über die Leinwand flackerte, drückte sie mir ihre kirschroten Lippen fest auf den Mund und wir waren in aller kindlicher Unschuld ein Paar – bis sie am Ende des Schuljahres mit ihren Eltern in eine andere Stadt zog, die nach Erwachsenenmaßstäben nicht weit von Paris lag, aber für einen Jungen meines Alters am Ende der Welt – und damit unerreichbar geworden war. Nach einigen Wochen tiefster Trauer beschloss ich, unsere unglückliche Geschichte später mit einem Film zu ehren.
    Natürlich wollte ich eines Tages ein berühmter Regisseur werden. Und natürlich wurde ich es nicht. Ich folgte dem Drängen meines Vaters, studierte Betriebswirtschaft, weil man damit »immer etwas werden kann«, und arbeitete einige Jahre in einem großen Unternehmen in Lyon, das sich auf den Export von Luxusbadewannen und hochwertigen Badezimmerarmaturen spezialisiert hatte. Ich verdiente, obwohl noch jung, viel Geld. Meine Eltern waren stolz, dass nun doch etwas aus dem weltfremden Jungen von einst geworden war. Ich kaufte mir einen alten Citroën mit offenem Verdeck und hatte nun auch

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