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Gequält

Gequält

Titel: Gequält Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Koppel
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1
    Sie holten Henk in Brahehus ab. Er nahm auf der Rückbank Platz und beugte sich dann zwischen den Sitzen nach vorne. Er fluchte und sprach rasch und aufgebracht.
    Sara seufzte.
    »Schnall dich an, damit ich dieses Bimmeln nicht hören muss.«
    Henk begriff nicht.
    »Der Sicherheitsgurt!«, sagte Sara. »Dieses Geräusch macht mich noch ganz verrückt.«
    »Ja, ja, natürlich.«
    Henk zog den Gurt heraus und suchte nach dem Verschluss. Sie waren bereits auf der Autobahn, als die Warnlampe endlich zu blinken aufhörte und das penetrante Gepiepse verstummte. Henk war jedoch schwerer zum Schweigen zu bringen.
    »Ich kenn ihn jetzt schon ich weiß nicht wie viele Jahre. Wollte nur mal eben pinkeln. Als ich aus dem Klo komme, ist das Schwein weg. Der Arsch hat mich reingelegt.«
    »Mich hat er reingelegt«, sagte Sara, »nicht dich.«
    »Genau«, meinte Henk und lehnte sich vor. »Noch schlimmer. Er kapiert nicht, mit wem er es zu tun hat. Ich schneid dem Schwein die Eier ab.«
    Sara stützte sich mit dem Ellbogen an der Tür ab und legte den Kopf in die Hand. In Augenblicken wie diesem kamen ihr schon einmal Zweifel, und sie wünschte, einen anderen Weg gewählt zu haben. Vorige Woche hatte sie vier anabolisch aufgepumpte Typen vor einem riesigen Flachbildschirm angetroffen, auf dem Miami Ink lief. Sie hatten sich zwar halbwegs zivilisiert benommen, sich halbherzig aufgerichtet und sie ordnungsgemäß begrüßt, aber das änderte nichts. Sara hatte immer noch den schwachsinnigen Dialog der Dokusoap in den Ohren.
    Die Fahrt setzte sich unter Henks leeren Drohungen und ermüdenden Sprüchen über Connys baldige Verstümmelung fort. Er redete unaufhörlich. Sara ließ ihn gewähren. Er trug nichts mehr bei, war nur noch ein lästiger Umstand, der bewältigt werden musste. Sara tätschelte Mattes Oberarm und deutete mit dem Kopf auf eine Abfahrt. Henk rutschte auf der Rückbank hin und her.
    »Scheiße, wohin?«
    »Doch wohl eher: Wohin geht’s eigentlich?«
    »Im Ernst: Wohin wollen wir, verdammt?«
    »Wir müssen uns irgendwo unterhalten und herausfinden, was eigentlich geschehen ist.«
    »Ich hab’s dir doch eben erklärt. Das Schwein hat mich, nein dich, übers Ohr gehauen.«
    »Ja, das ist mir auch klar.«
    Sara drehte sich in Mattes Richtung und deutete nach vorne.
    »Zum Rastplatz.«
    Matte bog ab. Sara öffnete das Handschuhfach und nahm eine Plastiktüte heraus.
    »Komm, Henk. Wir setzen uns da drüben hin.«
    Sie stiegen aus. Henk folgte Sara zu einem der Tische, Matte blieb an den Kofferraum gelehnt zurück. Der Rastplatz war von einem lichten Wäldchen umgeben, das jedoch dicht genug war, um auch Frauen unbeobachtetes Pinkeln hinter einem Baum oder Busch zu ermöglichen.
    Sie nahmen an einem Tisch Platz. Henk drehte sich besorgt um und sah zu Matte hinüber.
    »Wieso bleibt Matte da stehen?«
    Sara antwortete nicht. Henk wusste nicht, wie er sitzen sollte. Er wog fast doppelt so viel wie Sara, trotzdem wirkte er im Vergleich klein.
    »Machst du etwa mir Vorwürfe?«
    »Dein Handy.«
    »Bitte?«
    Sara machte eine ungeduldige Handbewegung. Henk zog das Handy aus der Innentasche seiner Jacke und reichte es ihr.
    »Erzähl mir alles noch einmal«, sagte sie. »Von Anfang an.«
    »Verdammt. Ich habe es doch schon tausend Mal gesagt. Sollen wir hier etwa einfach rumsitzen und ihn entkommen lassen? Du hast doch selbst gesagt, du willst nichts mehr hören.«
    Sara sah ihn an, bis er einsah, dass seine Meinung nicht gefragt war.
    »Also noch einmal«, sagte sie. »Und zwar von Anfang an.«
    Henk atmete tief ein und erzählte alles noch einmal, seine Beteuerungen gestenreich unterstreichend. Sara hörte aufmerksam zu und wiederholte vereinzelte Worte.
    »Klingt nicht, als hätte er es geplant«, meinte sie schließlich. »Und es war dein Vorschlag, anzuhalten, um etwas zu essen?«
    Henk nickte eifrig. Er wollte es ihr unbedingt recht machen.
    »In diesem bodenständigen Lokal?«
    »Die kochen gut.«
    »Und du hast ihn gebeten, dir eine Portion Fleischbällchen zu holen?«
    »Ich habe ihm hundert Kronen gegeben.«
    »Was kosten Fleischbällchen?«
    »Bitte?«
    »Waren hundert Kronen genug?«
    »Keine Ahnung. Vermutlich.«
    »Okay, du gibst ihm den Hunderter, gehst auf die Toilette, erledigst alles, und als du zurückkommst, ist er weg?«
    »Erst dachte ich, er wäre schon durch die Kasse durch, dann sah ich die Frau in dem gelben Trainingsanzug  … «
    »Wen?«
    »Sie stand vor uns in der Schlange. Und sie stand immer

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