Einfach ein gutes Leben
benötigen: Nahrung, Kleidung, ein Dach über dem Kopf, Wärme, elementare Körperpflegemittel und so weiter. Oben drauf gibt es noch sehr viel mehr Güter, die nicht unsere schiere Existenz sichern, die wir aber ebenfalls irgendwie »brauchen«: Fahrzeuge, Unterhaltungsmedien, Sportgeräte, Produkte, die uns schöner machen, und so fort. Darunter fallen die Dinge, die einen existenzsichernden Zweck mit einem Zusatznutzen kombinieren, elektrische Zahnbürsten zum Beispiel: Sie halten die Zähne gesund und sind darüber hinaus bequemer als die muskelkraftbetriebene Bürste. Sind wir selbst die Hersteller solcher Produkte, benötigen wir für die Herstellung Produktionsmittel, die den Herstellungsprozess ermöglichen, größtenteils also Maschinen, sowie Rohstoffe, die im Herstellungsprozess verbraucht werden. Um die zu erwerben, benötigen wir Geld. Als Konsumenten benötigen wir ebenfalls finanzielle Mittel, die uns einen Zugang zu den Gütern sichern, indem wir Arbeitskraft gegen Geld eintauschen und das Geld anschließend gegen die Güter.
Das alles – lebenswichtige Güter, Konsumgüter, Kapitalgüter, Rohstoffe, Geld, Arbeit – ist in Märkten organisiert. Das heißt: Wir haben die Versorgung mit allem, was wir brauchen oder haben wollen, in Marktstrukturen eingelassen. Märkte sorgen quasi automatisch – ohne einen allwissenden Lenker – dafür, dass wir alle im Wohlstand leben können und rundum zufrieden sind.
Etwa so könnte auch Peter Lustig die Marktwirtschaft erklären: Klingt komisch, ist aber so, wenn man die Sache brutal auf ihren kleinsten Nenner bringt. Jedenfalls ist das die Art und Weise, wie sie funktionieren würde , funktionierte sie gemäß dem, was Politiker, Wirtschaftsakteure oder Journalistinnen 1 (zeitweise in Peter-Lustig-Manier) nicht müde werden zu verbreiten. Ob als soziale Marktwirtschaft oder münzharter Neoliberalismus: Sie ist das Grundmodell der Wirtschaftsordnung, die wir alle wollen sollen. Weil sie uns all das liefert, was wir für ein gutes Leben brauchen.
Tut sie?
Lisa und Michael haben oft über genau diese Frage sinniert und jedes Mal wurde das Rasseln, Klopfen und Klappern lauter, bis sie es nicht länger ertragen wollten. Zu klar war ihnen, dass irgendwo ein Schaden lag. Die Peter-Lustig-Erklärungen erscheinen den beiden inzwischen zu dubios, mehr als schlechte Entschuldigungen. Ihr Gewissen sagt ihnen, dass sie, wenn sie den defekten Motor schon nicht reparieren können, ihr eigenes Leben selbst in die Hand nehmen und der kaputten Maschine so gut es geht ausweichen müssen.
Ähnlich ergeht es Frauke Hehl, allerdings ist ihr Thema nicht der Konsum. Ihr war die Vorstellung einer Arbeit, die sie tagtäglich für acht Stunden an einen festen Ort zwingt, um dort Dinge zu tun, die sie sich nicht selbst ausgesucht hat und deren Endprodukt sie nicht kennenlernen wird, ein Gräuel. Sie sieht heute an den vielen Kontakten zu Arbeitslosen, die sie hat, und zu den ebenfalls zahlreichen Menschen, die wie sie alleinselbständig arbeiten, wie sehr sich diese Vorstellung gerade wandelt. Je mehr Menschen sie nach ihrer Arbeit fragt, desto häufiger bekommt sie die Antwort »Teilzeit«, »drei verschiedene Jobs«, »gerade gar kein Job«, »immermal wieder Leiharbeit«, »heute Projektauftrag, morgen: weiß nicht«, desto häufiger hört sie, die Leute hätten den Eindruck, es stimme grundsätzlich nicht mehr mit den Jobs. Der Motor kommt ins Stocken, der Arbeitsmarkt ist aus der Spur geraten. Längst nicht mehr erwarten alle eine Arbeit, die ein ausreichendes Einkommen liefern würde – aus gutem Grund. Wie gut, wenn einem wie Frauke Hehl noch etwas einfällt, und man abseits der marktgesteuerten Einkunftsquellen seinen Lebensunterhalt sichern kann. Ihr Weg ist, so weit wie möglich auf Geldeinkommen zu verzichten und die frei gewordene Zeit als Ressource zu begreifen, um selbst und direkt für die lebenswichtigen Dinge zu sorgen. In einem Nachbarschaftsgarten zum Beispiel, den sie selbst gegründet hat und in dem sie gegenseitige Hilfe und eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten findet, Gemüse anbaut und Tipps und Tricks zur Selbstversorgung austauschen kann.
Niels Boeing hört nicht bloß ein diffuses Klappern. Er kann sehr genau sagen, an welchen Stellen das ganze Getriebe knirscht. Er würde gerne die große Panne vermeiden. Die Stadt, in der er lebt, sieht er zunehmend von wirtschaftlichen und politischen Interessen regiert, die mehr auf den globalen Wettbewerb zielen als
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