Einfach ein gutes Leben
dass unser überlieferter Begriff von Wohlstand durch eine wachsende Wirtschaft tatsächlich nicht automatisch dazu führt, dass es den Leuten besser geht. Was also, so fragt auch die Ökonomische Glücksforschung, macht uns eigentlich zufrieden?
»Die großen sieben« heißt eine erste, vereinfachende Antwort: Familie, Finanzen, Arbeit, Beziehungen, Gesundheit, persönliche Freiheit, persönliche Werte. Die Reihenfolge dieser Glücksfaktoren sagt dabei nichts über ihre Gewichtung aus. Auffällig ist, dass kaum einer der Faktoren (ausgenommen Arbeit und indirekt Finanzen) über Märkte vermitteltwird. Was uns glücklich macht, sind also oft eben nicht erwerbbare Güter, sondern »weiche« Faktoren, die mit Zwischenmenschlichkeit oder persönlichen Eigenschaften zu tun haben. 9
Der Schweizer Ökonom Bruno Frey hat genauer nachgeschaut und fand unter anderem heraus, dass Menschen, die sich Ziele selbst setzen und ihre Werte aus sich heraus finden, in der Tendenz glücklicher sind als solche, die von Belohnungen durch andere abhängen (indem sie beispielsweise finanziell entlohnt oder mit Anerkennung bedacht werden). Selbstbestimmung scheint also eine gewisse Rolle für das Wohlbefinden zu spielen. Frey fand diese Vermutung bestätigt, als er das Tätigkeitsfeld des ehrenamtlichen Engagements untersuchte. Sein Ergebnis: Tätigkeiten, die auf Freiwilligkeit und mehr Kontrolle seitens des Tätigen beruhen, werden hoch geschätzt, weil sie Unabhängigkeit und flache Hierarchien beinhalten, die Möglichkeit bieten, anderen zu helfen, die Chance besteht, interessante Kompetenzen ins Spiel bringen zu können, und weil selbstbestimmtes Arbeiten in sich eine hohe Motivation ist. Materielle Belohnungen spielten eine eher untergeordnete Rolle. 10 Wir werden später noch sehen, dass Selbstbestimmung in der Tat eine sehr große Bedeutung hat.
Und das Einkommen, das doch laut ökonomischer Theorie die Wurzel allen Wohlstands und damit allen Glücks in modernen Gesellschaften ist? Natürlich trägt es zum Wohlbefinden bei, aber bei Weitem nicht so sehr wie erwartet. Reichere Leute schätzen ihr Wohlbefinden im Schnitt höher ein als ärmere. Dennoch hängt der tatsächliche Effekt materieller Wohlstandsfaktoren von sozialen Prozessen ab. Zum einen vergleichen Menschen sich mit anderen Menschen, die in etwa ihren eigenen ökonomischen Status haben oder in deren Mitte sie leben. Gewinnen sie dabei den Eindruck, dass sie einigermaßen gut abschneiden, reicht das für ein gutes Maß an Zufriedenheit. Zum anderen gewöhnen sich die Leute an einen einmal erreichten Status. Ihr Blick richtet sich eher ein kleines Stück nach oben, wenn sie aber dort angekommen sind, schauen sie nicht etwa zurück, um zu genießen, was sie erreicht haben, sondern blicken wieder ein Stück auf. Und soweiter ad infinitum. Und schließlich gilt auch hier das alte ökonomische Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen: Je höher auf der Leiter einer schon steht, desto weniger nützt ihm jeder weitere Anstieg des materiellen Wohlstands. 11 Schenken Sie einem malawischen Kleinbauern 100 Dollar, würde er ein Festessen für Sie geben. Donald Trump würde Sie und Ihren wedelnden Geldschein schlicht ignorieren.
Die Beobachtung, dass die positiven Effekte des steigenden materiellen Wohlstands auf das Wohlbefinden mit der Höhe des Wohlstandsniveaus abnehmen, ist als das »Easterlin-Paradoxon« bekannt geworden. Der Wirtschaftswissenschaftler Richard Easterlin hat es als Erster 1974 pointiert formuliert. Auch er führt es auf die mit dem Wohlstandsniveau steigenden Ansprüche der Bürger zurück, die ihre eigenen Errungenschaften immer wieder neu mit dem inzwischen gestiegenen Durchschnitt vergleichen. Das Paradoxon erinnert an ein im Englischen »hedonic treadmill« (etwa »Tretmühle des Glücks«) genanntes Phänomen: Steigender persönlicher Wohlstand bringt einen kurzen Anstieg in der Zufriedenheit, der sich jedoch schnell wieder abnutzt, durch neue Steigerungsanstrengungen ergänzt werden muss, auf die wiederum Abnutzungseffekte folgen, und so weiter. Man strampelt, um weiterzukommen, ohne zu merken, dass man doch nur ein Hamsterrad antreibt, in dem es kein dauerhaftes Aufwärts geben kann. 12
Es ist schon staunenswert: Wir werden immer reicher, aber doch nicht zufriedener. Die grundlegenden Zweifel der Akteure in diesem Buch scheinen genau ins Schwarze zu treffen.
Da die Worte »Marktwirtschaft« und »Kapitalismus« oft so gebraucht werden, als meinten sie ein
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