Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit

Titel: Einfalt, Weisheit, Unglaeubigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
Vom Netzwerk:
aber…«
    Da kam wieder das Klopfen, und Iwan steckte sein zernarbtes Gesicht herein.
    »Um Vergebung, Sir«, sagte er, »aber Mr. Brayne hat das Haus verlassen.«
    »Verlassen!« schrie Valentin und erhob sich zum ersten Mal.
    »Gegangen. Abgehauen. Verduftet«, erwiderte Iwan in komischem Französisch. »Sein Hut und sein Mantel sind auch weg; und ich will Ihnen noch was erzählen, um dem Ding die Krone aufzusetzen. Ich rannte aus dem Haus, um irgendwelche Spuren von ihm zu finden, und ich fand eine, eine mächtig große sogar.«
    »Wie meinst du das?« fragte Valentin.
    »Will ich Ihnen zeigen«, sagte sein Diener und erschien mit einem glänzenden blanken Kavalleriesäbel, der an Spitze und Schneide blutverschmiert war. Jeder im Raum sah ihn an, als ob es ein Blitzkeil wäre; aber der abgehärtete Iwan fuhr ganz ruhig fort:
    »Ich hab das gefunden«, sagte er, »50 Meter die Straße rauf nach Paris in die Büsche geschleudert. Mit anderen Worten, ich hab ihn genau da gefunden, wo Ihr ehrenwerter Mr. Brayne ihn hinschmiß, als er abhaute.«
    Wieder war da ein Schweigen, aber von einer neuen Art. Valentin ergriff den Säbel, untersuchte ihn, dachte mit ungespielter Konzentration nach und wandte sich dann mit achtungsvollem Gesichtsausdruck an O’Brien. »Major«, sagte er, »wir vertrauen darauf, daß Sie diese Waffe jederzeit wieder vorzeigen können, wenn sie für polizeiliche Untersuchungen gewünscht wird. In der Zwischenzeit«, fügte er hinzu und stieß den Stahl in die klirrende Scheide, »lassen Sie mich Ihnen Ihren Säbel zurückgeben.«
    Angesichts der militärischen Symbolik dieser Handlung konnte sich das Publikum kaum von Applaus zurückhalten.
    Für Neil O’Brien war diese Geste tatsächlich der Wendepunkt seines Lebens. Als er im frühen Morgenlicht erneut durch den geheimnisvollen Garten wanderte, war der übliche Ausdruck tragischer Nutzlosigkeit von ihm abgefallen; er war ein Mann mit mancherlei Gründen, glücklich zu sein. Lord Galloway war ein Gentleman und hatte ihm seine Entschuldigung angeboten. Lady Margaret war etwas Besseres als eine Lady, sie war endlich eine Frau, und vielleicht hatte sie ihm etwas Besseres angeboten als eine Entschuldigung, als sie vor dem Frühstück zwischen den alten Blumenbeeten herumgeschlendert waren. Die ganze Gesellschaft war leichteren Herzens und menschlicher, denn obwohl das Rätsel des Todes bestehen blieb, war ihnen doch die Last der Verdächtigung abgenommen worden und mit dem sonderbaren Millionär nach Paris entschwunden – mit einem Mann, den sie kaum kannten. Der Teufel war aus dem Haus vertrieben – er hatte sich selbst vertrieben.
    Aber das Rätsel blieb; und als O’Brien sich neben Dr. Simon auf einen Gartensitz warf, griff diese streng wissenschaftliche Person es unverzüglich wieder auf. Viel allerdings bekam er von O’Brien nicht zu hören, dessen Gedanken erfreulicheren Dingen zugewendet waren.
    »Ich kann nicht behaupten, daß mich das sehr interessiert«, sagte der Ire offen, »vor allem, da es jetzt ja ziemlich klar zu sein scheint. Offenbar hat Brayne diesen Fremden aus irgendwelchen Gründen gehaßt, ihn in den Garten gelockt und ihn da mit meinem Säbel getötet. Dann floh er in die Stadt und warf dabei den Säbel fort. Übrigens hat mir Iwan erzählt, daß der Mann einen Yankee-Dollar in der Tasche hatte. Also war er ein Landsmann von Brayne, und das dürfte den Fall schließen. Ich jedenfalls sehe keine Schwierigkeiten mehr.«
    »Es gibt da 5 gewaltige Schwierigkeiten«, sagte der Doktor ruhig; »wie hohe Mauern innerhalb von Mauern. Mißverstehen Sie mich nicht. Ich zweifle nicht daran, daß Brayne es getan hat; nach meiner Meinung beweist seine Flucht das. Aber wie hat er es getan? 1. Schwierigkeit: Warum sollte ein Mann einen anderen Mann mit einem großen unhandlichen Säbel töten, wenn er ihn auch fast mit einem Taschenmesser hätte töten und es danach in die Tasche hätte stecken können? 2. Schwierigkeit: Warum gab es kein Geräusch oder Geschrei? Sieht ein Mann üblicherweise einen anderen mit einem Krummsäbel auf sich zukommen und sagt nichts dazu? 3. Schwierigkeit: Ein Diener bewachte während des ganzen Abends die Eingangstür; und in Valentins Garten kann nicht mal eine Ratte schlüpfen – wie also kam der tote Mann in den Garten? 4. Schwierigkeit: Und angesichts der gleichen Bedingungen, wie kam Brayne aus dem Garten heraus?«
    »Und die 5.?« sagte Neil und richtete seine Blicke auf den englischen Priester, der

Weitere Kostenlose Bücher