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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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wieder in den Mund, lutschte darauf herum, scheuerte mit den löchrigen Backenzähnen darüber. Es hatte nach Hühnchen geschmeckt, hätte aber auch Hund sein können. Gepanschter Fusel und andere Rauschmittel hatten seinen Gaumen verdorben. Außerdem verfügte sein Mund inzwischen über ein ganz eigenes, fauliges Aroma. Ihm fiel dies kaum noch auf, aber die Mitmenschen wichen immer häufiger zurück, wenn er um Kleingeld oder einen Kanten Brot bettelte.
    Der kleine Abfallhaufen hätte eine echte Fundgrube sein können. Achtlos aus einem der vielen, mickrigen Fenster gekippt, die sich über seinem Kopf gegenseitig anglotzten. Aber das Glück hatte sich anderswo eingenistet. Ihn fand es nur selten. Æsta fand es nur selten.
    Ein Geräusch riss ihn aus seinem konzentrierten Nagen. Knirschen. Schnee, den etwas Schweres quetschte. Schritte in der Nacht. Er reckte den Kopf, blickte in alle Richtungen. Aber das Dunkel war zu vollkommen, um etwas zu erkennen. Aus keinem Fensterladen drang Licht. Nicht mal bleicher Kerzenschimmer. Aufgeregt rutschte er vor dem Abfallhaufen hin und her. Seine Instinkte warnten ihn. Zu spät. Etwas schnellte aus der Dunkelheit hervor. Packte ihn an der Schulter. Riss und zerrte. Krächzende Geräusche wie von einer Kehle, deren Stimmenbänder kurz vor dem Zerreißen standen. Er versuchte, sich zu erheben, wegzukriechen. Der Griff lockerte sich. Kraftlose, leichenfahle Finger grapschten durch die Nacht. Tasteten blind umher. Er schlug die fremde Hand beseitige, hörte ein gepeinigtes Stöhnen. Der Schemen schälte sich aus dem Schlund der Finsternis, als weißliches Mondlicht auf ihn fiel. Die dichten Wolken über Æsta lichteten sich träge, als hegten sie nur bedingt Interesse an dem unheimlichen Schauspiel in der engen Gasse und seinen zerlumpten Akteuren. Die Gestalt schien alt zu sein. Runzlige Haut, Schrammen, Flecken und eine Bleiche, die ihn an Madennester erinnerte. Wieder krächzte der Fremde entsetzlich. Möglicherweise waren es Worte. Eine Drohung, eine Warnung, vielleicht gar ein abscheulicher Hilferuf. Rattenjunge trat kräftig aus, raffte sich auf und lief davon. Der Schnee wirbelte unter seinen löchrigen Stiefeln. Er hastete um eine Hausecke, froh, dem siechen Alten entkommen zu sein.

    Er verschloss die winzige Kupferklappe der Konstruktion und grinste. Er wusste, es war eigentlich schon zu spät, um sie noch auszuprobieren. Zu viele Nächte hatte er in seiner Werkstatt verbracht. Zu viele Nächte war Myriam, sein Weib, allein im Ehebett eingeschlafen. Wahrscheinlich mit unzufriedenen Gedanken im Kopf und bösen, stummen Worten auf den Lippen. Aber die Nacht war die Zeit des Schaffens. Tagsüber war Æsta zu laut, um sich konzentrieren zu können. Dampfmaschinen dröhnten, überall krochen feine Rauchschwaden in die Wohnung, Wortschwalle und Geschrei auf den Straßen. Mal demonstrierten die Arbeiter der Lufthafenwerft, mal zankten müde Huren wie aufgekratzte Katzenbiester. Doch wenn es dunkel wurde und der ewige Schnee nur noch stumpfes Weiß war, kehrte eine Lautlosigkeit ein, welche die Kunst des Tüftelns erst wahrlich erblühen ließ. In manchen dieser Nächte fühlte er sich wie ein fremdartiger Wächter. Einsam, der Welt und ihrem Kummer entrückt, der ihm im Lichte der kleinen Gaslaterne wie die belanglosen Gedanken von Ameisen erschien. Dann kam es. Immer ein leises Schleichen, ein vorsichtiges Kitzeln an den Rändern seines Bewusstseins. Ein Necken und Locken. Der Hauch des Schaffens. Das pure Wesen der Kunst. Es entführte ihn, trug seine Gedanken weit fort von seinem Heim, den Problemen und Unannehmlichkeiten. Von Myriam, die sich unruhig im gemeinsamen Bett wälzte. Dann begann etwas zu leuchten. In ihm. Um ihn herum. Schöpferkraft. Grenzenlosigkeit. Begreifen. Inspiration.
    Entwürfe entstanden in seinem Kopf und zerfielen zu Staub, bildeten sich neu. Wie eine wogende Blumenwiese im Sommerwind tanzten Verstrebungen, Uhrwerke, Drahtgebilde und herrliche magnetische Kettenreaktionen vor seinem inneren Auge. Die Nacht war die Zeit der Wunder.
    Er drückte die Kupferklappe zu und setzte den hauchfeinen Schlüssel ins Schloss. Er glitt ganz leicht hinein. Mit einem nahezu lautlosen Klicken verschwand sein Bart im Inneren. Sachte drehte er ihn, als streichle er die winzigen Finger eines Kindes. Er spürte, wie sich die Federn im Inneren spannten. Das Konstrukt war bereit, zum Leben zu erwachen. Behutsam zog er den Schlüssel wieder heraus, legte sein Monokel mit dem

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