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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Fenster. Wie so häufig fragte sie sich, wo sie hier nur gelandet war. Æsta, schwimmender Eisberg im klaren Meer. Hoch im Norden, wo das Leben einen bizarren Reigen mit dem frostigen Antlitz des Todes tanzte. In manchen Nächten konnte man den Gesang der Wale hören. Ihre dunklen Buckel, die manchmal die Wasseroberfläche durchbrachen, weckten ein Gefühl von Beklemmung in ihr. Giganten der Meere, die in Tiefen schwammen, in die Gottes Licht nicht reichte. Dunkle Unterwelt mit Bewohnern, die ihr Angst machten. Sie konnte sich gut an die Geschichte dreier Seemänner erinnern, die im letzten Frühjahr das Haus der Lust und der Freuden aufgesucht hatten. Narbige, wettergegerbte Kerle mit rauen Stimmen und dichten Bärten. Sie waren an Bord der Patricia gesegelt. Von Lybya nach Ængland und weiter nach Æsta. In einer stürmischen Nacht, die peitschenden Regen und grelle Blitze gespien hatte, war etwas aus dem Ozean emporgestiegen. Ein gewaltiger Berg aus feuchtem Fleisch. Die Seefahrer hatten Gott um Gnade angefleht, manch einer war vor Grauen von Bord gesprungen. Dann hatten sich aus der monströsen Erscheinung dicke Tentakeln entfaltet, länger als der Hauptmast der Patricia . Wie der klammernde Griff einer fetten Hure hatten sich die abnormen Arme um das Schiff geschlungen. Kutschenradgroße Saugnäpfe an den blassen Innenseiten. Ein scheußliches Gebrüll war dem Maul des Riesenkraken entstiegen, als er am Schiff zerrte und Holz zersplitterte. Er wollte die Patricia mit sich in die Tiefe ziehen. Wie die drei Seefahrer diesen albtraumhaften Schrecken überlebt hatten, hatten sie nicht verraten. Aber ihr mysteriöses Lächeln hatte in Li den Verdacht geweckt, dass sie möglicherweise technische Hilfsmittel besaßen, über die sie nicht sprechen durften. Tiefseetauchanzüge mit schweren Metallhelmen. Unterwasserboote, Einmann-Fluggeräte, Rettungskapseln mit neuartigen Antriebssystemen. Auf Æsta tuschelte man viel über wunderliche, neue Erfindungen. Sie ahnte, dass die Schwelle zu einem neuen Zeitalter näher rückte, aber mit Unbehagen dachte sie daran, diese zu übertreten.
    Die tiefe, beinahe männliche Stimme der Madame riss sie aus ihren trüben Gedanken. Gehorsam nickte sie und machte sich auf, die absonderliche Frau aufzusuchen, welche die Nähte wieder richten würde.
    Die Kälte biss Li mit messerscharfen, eisigen Zähnen. Ihre müden Glieder sehnten sich nach Ruhe. Sie zitterte und schleppte sich vorwärts durch den festgetretenen Schnee. Mit einem Lächeln erinnerte sie sich an Herrn von Erlenhofen. Dieses naive Gesicht, seine stümperhafte Versicherung, er wisse, wie das Inhalieren des Opiums durch die Pfeifen funktionierte. Die eigenartige Puppe, die er mit sich getragen hatte. Fast wie einen Schatz, den es zu hüten galt. Aber zu ihr er Erleichterung hatte er keine verstörenden sexuellen Vorlieben erkennen lassen und die Puppe fern von allem sündigen Treiben gehalten.
    Sie spürte noch immer die Küsse auf ihrem Leib. Eine Erinnerung, welche die kalten Finger des ewigen Eises ein wenig verdrängte. Yaari, Tingting, Amaya und Fei. Gemeinsam waren sie die exotische Sensation des muffigen, dunklen Souterrains der Madame. Sie und die Nadeln, der Branntwein, mildes Ingwer-Bier und das süße Sinnesspiel des Mohnsaftes.
    Die Herrenrunde des Abends hatte sich schnell als extrem angenehm herausgestellt. Die Wirkung des Rauschs hatte sie zu friedlichen Lämmern gemacht, die staunend und voller Lust ihre Darbietungen verfolgt hatten. Tingting und ihr neckischer Tanz. Die erstaunliche Akrobatik Feis, die ihre Beine so verdrehen konnte, dass sich Anblicke und Einsichten ergaben, die jedes Männerherz höher schlagen ließen. Amayas geschickte Hände, die hingebungsvoll verführten, fordernd zufassten und durch langsames Gleiten die Lust zu beflügeln wussten. Dann das anmutige Spiel gegenseitiger Liebkosungen, bei dem die zusehenden Männer ins Schwitzen geraten waren. Küsse, Streicheln, wandernde Fingerspitzen und Zungen …

    Die Frau, die ihre Gäste und Bediensteten Madame nannten, saß mit müden Augen auf einem der gepolsterten Stühle. Der Geruch von Schweiß, Alkohol, Opium und menschlicher Lust hing schwer in der reglosen Luft. Wie jeden Morgen. Sie nippte an ihrem Tee, rieb sich die Schläfen und strich gedankenverloren über den stachligen Haarwuchs auf ihrer Oberlippe. Li war losgelaufen, um die gerissene Korsage reparieren zu lassen.
    „Ach, Josephine“, murmelte sie vor sich hin. Die Freundin

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