Eiskalte Hand (Die Chroniken von Mondoria) (German Edition)
Antwort geben willst, muss ich wohl etwas nachhelfen.“ Blitzartig griff sie mit ihrer Linken nach seiner rechten Hand und packte Zeige- und Mittelfinger. Ihr Griff hart und erbarmungslos wie ein Schraubstock. Leichter Schmerz durchzuckte den Statthalter. Ganz langsam bog Mia jetzt die Finger nach hinten. Der Druck auf die Sehnen und Gelenke verstärkte sich, der Schmerz nahm zu. „Stopp!“, rief Jom Kil, und ein paar Tränen liefen aus seinen Augenwinkeln. Mia schaute ihn fast schon mitleidig an und nickte. Doch ein Teil in ihr konnte nicht anders, als die Bewegung zu Ende zu führen. Es knirschte leise, als die Finger brachen. Ein unterdrückter Schrei entfuhr dem Statthalter. Und plötzlich war seine Zunge ganz locker, die Worte sprudelten nur so aus ihm heraus. „Ich habe vor einer Woche eine Botschaft von höchster Stelle bekommen. Darin hieß es, dass möglicherweise Personen zu mir kommen würden, die von Vorgängen in Wan La zu berichten hatten. Mein Befehl lautete, diese Personen festzusetzen und einen Boten an den Patriarchen zu schicken. Genau das habe ich getan.“ Inzwischen hatte Mia die gebrochenen Finger losgelassen. Hastig schob Jom Kil die Hand unter die Bettdecke. Bloß außer Reichweite dieser Verrückten. Mia ließ die Worte des Statthalters einen Moment auf sich wirken. „Könnt ihr das beweisen?“, bohrte sie weiter nach. Schnell nickte der Statthalter. Die Botschaft liegt noch auf meinem Schreibtisch. Ich kann sie euch zeigen.“ „Ich werde sie schon finden.“, erwiderte Mia. Dann setzte sie ihre Befragung fort: „Warum lasst ihr einfach so unbescholtene Bürger einsperren, die euch auch noch vor einer ernsthaften Bedrohung warnen?“ Man spürte ihr an, dass sie etwas verärgert war. „Aber der Befehl kam doch vom Patriarchen selbst. Mein Onkel… Und was er befiehlt, ist Gesetz.“ Mit treu-blöden Augen schaute der Statthalter sie an. ‚Was für eine hohle Nuss!‘, schoss es Mia durch den Kopf. ‚Ein armseliger Befehlsempfänger.‘ Fast hätte sie Mitleid mit ihm gehabt. Aber auch nur fast. Denn hier stand viel zu viel auf dem Spiel. „Und um die Grünhäute macht ihr euch keine Sorgen?“ Jom Kil zuckte mit den Schultern. „Vor den Wilden brauchen wir uns nicht zu fürchten. Bis hierher sind die noch nie gekommen. Die anderen Garnisonen werden schon damit zurecht kommen.“ Die dumm-dreiste Arroganz des Statthalters brachte Mia zur Weißglut. Am liebsten hätte sie ihm mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Nur mit größter Mühe konnte sie sich zurückhalten. Offenbar konnte sie von diesem Würstchen nicht mehr erwarten. „Nun gut“, sagte sie nach einem Moment des Schweigens, „mach den Mund auf?“ Irritiert schaute Jom Kil sie an. Langsam hob Mia die Hand und bewegte sie, als ob sie wieder etwas brechen wollte. Diese Geste reichte aus, damit der Statthalter ihrem Befehl brav Folge leistete. Gehorsam sperrte er den Mund auf. Die junge Frau goss den letzten Rest aus ihrer Flasche hinein und sagte kurz und mit hartem Unterton: „Runterschlucken.“ Ohne nachzudenken tat Jom Kil, wie geheißen.
Keine dreißig Sekunden später schlief er ein. Lautlos huschte Mia wieder aus dem Zimmer heraus. Noch ein kurzer Abstecher ins Arbeitszimmer. Die Botschaft vom Patriarchen war nicht schwer zu finden. Sie steckte sie ein und verließ dann zügig den Palast, in dem mittlerweile so viele sanft vor sich hin schlummerten.
Kapitel 25
Ruhe kehrte im Camp ein. Die Überreste des Lagerfeuers glimmten noch. Alle Mitglieder der Reisegruppe hatten sich in ihre Decken gehüllt und schliefen friedlich, abgesehen von den Wachen, die unablässig um das Lager patrouillierten – und bis auf Ranja, der einfach keinen Schlaf finden konnte. Dabei fühlte er sich müde und erschöpft. Die Ereignisse der letzten Wochen hatten sehr an seinen Kräften gezehrt. Allein körperliche Anstrengung war er so nicht gewohnt, ganz zu schweigen von der psychischen Belastung. Ständig kreisten die Gedanken in seinem Kopf, oft ganz wild durcheinander. Es fiel ihm schwer, sie festzuhalten und zu ordnen. Seine vermeintliche intellektuelle Brillanz versagte einfach. Und das machte ihm noch mehr zu schaffen. Längst hatte sein überzogenes Selbstbewusstsein deutliche Kratzer abbekommen. Er stieß an Grenzen, die ihn ausbremsten und ihm deutlich machten, dass eben nicht alles möglich war. Und über all dem schwebte wie eine dunkle Wolke die Frage nach dem Grund. Was steckte hinter all dem? Warum
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