Eiskalte Hand
schliefen. Direkt vor dem Tor der Garnison entdeckte Mia ein besonders großes und geschmücktes Zelt. Mehrere Gestalten standen davor und gestikulierten wild mit den Armen. Offenbar irgendwelche Anführer, die etwas besprachen. Das machte sie neugierig. Vorsichtig schlich sie sich näher. Keine der Kreaturen bemerkte ihre Anwesenheit. Kurz darauf befand sie sich ganz nah an dem Zelt. Zwei Hobgoblins diskutierten miteinander, ein weiterer stand still daneben. Theoretisch hätte sie jetzt die drei Gestalten einfach aus der Distanz töten können. Eine reizvolle Vorstellung. Aber sie würde dann wohl größte Probleme bekommen, das Lager wieder lebendig zu verlassen.
„Die Boten sind bereits unterwegs.“, sagte gerade der kleinere der Hobgoblins. Er besaß ein narbiges Gesicht und eine lange spitze Nase. „Hervorragend“, antwortete der andere. Er war sehr muskulös für einen Hobgoblin und einen Kopf größer als die anderen beiden. Sein Gesicht konnte man fast als attraktiv bezeichnen, merkwürdig für eine Grünhaut. Auf jeden Fall besaß er eine starke Ausstrahlung. Das merkte auch Mia sofort. „Die Verstärkung sollte dann in einigen Tagen hier sein. Und wenn die Worte von unseren Ruhmestaten sich erst einmal in der Ödnis herumgesprochen haben, werden sich auch die Skeptiker unserem Feldzug anschließen.“ Mia schluckte. Da schien etwas Größeres im Gange zu sein. Am besten hörte sie noch eine Weile zu.
„Das wird die größte Armee unseres Volkes, die dieses Land je gesehen hat.“, schwärmte der Lange, „Und hier werden wir für eine Weile unser Lager aufschlagen. Wir haben schließlich jede Menge Zeit.“ Der kleinere Hobgbolin zuckte merklich zusammen. „Aber, Yan Tu, mächtiger Herr“, sprach er den anderen unterwürfig an, „denkt an unsere Vereinbarung. Wir sollten schnellstens nach Süden ziehen und dort für Angst und Schrecken sorgen. Sonst…“ „Schweig!“, fuhr Yan Tu ihn lautstark an, und der andere duckte sich instinktiv zur Seite weg, als würde er einen Schlag erwarten. „Willst du mir etwa widersprechen?“ Ängstlich schüttelte der andere hastig mit dem Kopf und rief immer wieder: „Nein, Herr!“ Yan Tu funkelte ihn grimmig an. Mit der rechten Hand fuhr er sich über das Amulett, das um seinen Hals hing, und genauso schnell, wie er gekommen war, verrauchte sein Zorn. „Nun, mein lieber Jak“, sagte er fast säuselnd, „Du kennst doch meine Fähigkeiten als Anführer.“ Yak nickte beständig und seine Augen wurden größer. „Dann solltest du mir vertrauen. Ich habe alles im Griff und weiß genau, was ich tue. Und ich lasse mir bestimmt nicht von so einer dahergelaufenen Blaßnase diktieren, was ich tun soll.“ Der Ausdruck in Yaks Gesicht wurde immer entspannter. Fasziniert schaute er auf seinen Anführer. Auf Mia wirkte er wie ein kleines Kind, das einen bunten Glitzerstein entdeckt hat. „Ich benutze die Menschlinge, wann und wie ich will. Aber ich vertraue ihnen nicht weiter, als meine Nasenspitze reicht.“ Bei diesen Worten lächelte Yan Tu sanft, drehte sich um und ging in das Zelt. Yak blieb noch eine Weile regungslos stehen und schaute wie gebannt auf den Ort, wo gerade noch das Gesicht von Yan Tu zu sehen war.
‚Arroganter Bastard!‘, dachte Mia. Und es juckte ihr in den Fingern, diesem Möchtegern-Heerführer die Kehle durchzuschneiden. Aber die Vernunft setzte sich durch. So schlich sie sich langsam zurück ins Dorf und suchte nach So Chis Haus. Auch hier hatten die Grünhäute für Unordnung gesorgt. Viel zu erbeuten gab es bei dem alten Mann vermutlich nicht. Inständig hoffte Mia, dass Rassel und Medaillon noch irgendwo herumlagen. Vorsichtig suchte sie hinterm Haus, wo sie vor kurzem noch beieinander gesessen und gesprochen hatten. Der Tisch lag umgestürzt da. Ein Bein war abgebrochen. Sie schob die Trümmer beiseite. Und tatsächlich: Im Sand darunter steckte die Rassel. Unbeschädigt. Mia jubelte innerlich. Es wurde ihr ganz warm ums Herz. Schnell wühlte sie mit der Hand weiter im Sand herum. Kurz darauf fischte sie auch das Medaillon heraus. Sorgfältig verstaute sie die Sachen und trat den Rückweg in ihr Lager an. Unterwegs dachte sie immerzu über das nach, was sie eben erlebt hatte und was nun zu tun sei.
Kapitel 19
Mit hängenden Zungen erreichten sie nach fünf Tagen endlich Mirana. Schon aus der Ferne konnten sie die Mauern und Türme der Stadt erkennen. Und sie genossen den Anblick nach so viel Wüste in den
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