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Eiskalte Hand

Eiskalte Hand

Titel: Eiskalte Hand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Muther
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ließ sie vor ihrem geistigen Auge wiedererstehen, so unwichtig sie auf den ersten Blick auch sein mochte. Aber aus der Erfahrung heraus wusste sie, dass gerade solche Kleinigkeiten manchmal immens wichtig werden konnten. Immer deutlicher wurde ihr, dass da Dinge um sie herum vorgingen, die verworren und gefährlich waren. So wie meistens in Quandala. Irgendeine Rolle spielte sie in der ganzen Angelegenheit. Nur welche? Das war die große Frage – und die Herausforderung, der sie sich zu stellen hatte.
     
    Vor allem musste sie vorsichtig sein. War ihre Wohnung überhaupt noch sicher? Wenn der angebliche Freund schon den Brief dort platziert hatte, dann konnten auch vermeintliche Feinde davon wissen. Was sollte sie tun? Mia blieb stehen. Es arbeitete in ihrem Kopf. Für den Notfall hatte sie sich schon vor längerer Zeit ein Ausweichquartier eingerichtet, verborgen im Keller eines verlassenen Hauses am Rande der Stadt. In diesem Viertel hatte es vor etlichen Jahren verheerende Brände gegeben. Die Leute waren fast alle fortgezogen. Ein Wiederaufbau hatte noch nicht begonnen. Offenbar bestand bei niemandem, der etwas zu sagen hatte, besonderes Interesse daran. Umso besser für sie.
     
    Mia schaute sich unauffällig um. Sie wollte sicher gehen, dass ihr niemand folgte. Zielstrebig lenkte sie ihre Schritte zum Boulevard der Freuden. Hier liefen zu jeder Tageszeit wahre Horden von Menschen. Schon aus der Entfernung konnte sie Musik und laute Stimmen hören. Auf der Vergnügungsmeile der Stadt wurde jede Form von Exzess ausgelebt. Bunte Lichter leuchteten. Musiker, Gaukler und Dirnen boten freizügig ihre Dienste an. Auch so mancher andere Dienst wurde – in der Regel nicht ganz so offen – feilgeboten. Eng aneinander reihten sich auch verschiedene Essenstände. Mia merkte, dass sie seit dem Mittagessen nichts mehr zu sich genommen hatte. Hühnerbeine, im Ofen gebacken, mit scharfer Soße und einer Schüssel Reis serviert, dazu hätte sie gerade nicht nein gesagt. Aber zum Essen blieb ihr keine Zeit. Wenn sie ihr Versteck ohne Anhang erreichen wollte, dann musste sie sich beeilen und mit der Menge gehen. „Liebeselixiere! Suchzauber! Violette Pilze aus den Wäldern Soriens!“ Lauthals priesen die Händler ihre Ware. Es gab wohl nichts, das man hier nicht bekommen konnte; wenn denn der Preis stimmte. Die Besucher, die sich dicht gedrängt über den Boulevard schoben, waren regelrecht euphorisiert. Sie lachten, sangen, gröhlten. Mia tauchte im Gewühl unter. Hier würde sie jeden potenziellen Verfolger mit Leichtigkeit loswerden. Immer wieder änderte sie ihre Richtung, bis sie schließlich in eine Nebengasse schlüpfte, der sie zügig folgte. Durch ein Gewirr von Nebenstraßen, die kaum beleuchtet waren und nach Gefahr rochen, führte ihr Weg sie schließlich zum Ziel.
     
    Kurz darauf saß sie in ihrem Versteck. Es roch muffig. ‚Ich hätte zwischendurch mal lüften sollen.‘ Die Einsicht kam nun zu spät. Mia saß an einem einfachen Holztisch, nachdem sie den Staub von dem wackeligen Stuhl notdürftig entfernt hatte. Eine Öllampe spendete rußiges Licht. Spinnen stieben in alle Richtungen davon und versteckten sich vor dem Licht in den Ecken. Mia meinte sogar, eine Maus gesehen zu haben. Aber all das war nebensächlich. Die Papiere, die ausgebreitet vor ihr lagen, nahmen ihre gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch. Die junge Frau hatte sie nun schon zweimal gelesen. Die ersten beiden Bögen waren akkurat beschrieben. Auf dem ersten stand als Überschrift Wuan Ki Lun . Der andere war mit Pa Shi Lun betitelt. Mia kannte diese Namen nicht. Und doch kamen sie ihr auf merkwürdige Weise vertraut vor. ‚Meine Eltern?‘ Diese Frage setzte sich hartnäckig in ihrem Kopf fest. Auf die Namen folgte jeweils eine Reihe von Daten, die mit unterschiedlichen Symbolen versehen waren. Es begann offenbar mit dem Geburtsdatum und endete mit dem Sterbedatum. Bei beiden war das letzte Datum gleich. Beklemmung erfasste Mia und schnürte ihr den Brustkorb zu. ‚Tot! Am selben Tag!‘ Einige der anderen Symbole konnte sie nicht entziffern oder deuten. So oder so: Viel gaben die Daten für sie nicht her. Und auch die Stichworte, die sich anschlossen, waren für sie weitgehend nichtssagend. Ein paar Ortsnamen kannte sie wohl. Aber einen wirklichen Sinn konnte sie in diesem Sammelsurium nicht entdecken.
     
    Das dritte Blatt machte das ganze nicht besser. Es schien sich um ein älteres Dokument zu handeln. Das Papier auf dem es

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