Eiskalte Hand
tummelten sich auf den Straßen des Reiches. Hier und da ergab sich ein beiläufiges Gespräch. Und schnell bekamen sie mit, dass ihre Heldentaten das Gesprächsthema schlechthin waren. Besonders Ranja fühlte sich geschmeichelt und hätte nur zu gerne jedem, dem sie begegneten, seine Identität offenbart. Doch Mia hielt ihn davon ab. Sie wollte schnell und unbehelligt reisen. Incognito sozusagen. Das entsprach ohnehin eher ihrer Art: kein großes Aufheben und möglichst wenig Spuren hinterlassen.
Gegen Mittag des vierten Tages sahen sie einen Wagen am Rande der Straße liegen. Ein Rad war gebrochen und der Wagen umgekippt. Eines der beiden Zugtiere hatte sich am Bein verletzt. Einige Menschen diskutierten wild miteinander und gestikulierten dabei exzessiv. Sie schienen sich nicht ganz einig zu sein, was sie nun machen sollten. Vielleicht stritten sie auch darüber, wer an dem Unfall die Schuld trug. Nur ein älterer Herr stand ganz still daneben und schaute etwas verstört zwischen dem Wagen und den Streithähnen hin und her. Als er die beiden Reiter bemerkte, die sich der Unglücksstelle näherten, wandte er sich hastig um und lief winkend auf Mia und Ranja zu. „Euch schickt der Himmel.“, sprach er sie direkt an und blickte voller Erwartung in ihre Richtung. Die beiden Reiter zügelten ihre Tiere. „Was können wir für euch tun, werter Herr?“, übernahm Mia ganz automatisch die Rolle der Redenden. „Das Rad ist gebrochen und der Wagen umgekippt.“, kam der Mann ohne Umschweife auf den Punkt, „Könnt ihr vielleicht dabei helfen, ihn wieder aufzurichten. Die Herrschaften da drüben scheinen dazu nicht in der Lage zu sein.“ Dabei zeigte er auf die drei Männer, die immer noch lautstark diskutierten. Ranja und Mia tauschten einen kurzen Blick aus. Dann nickte die junge Frau und stieg vom Pferd. „Das werden wir wohl hinbekommen.“ Gemeinsam mit Ranja ging sie zum Wagen herüber. Die drei Männer beendeten schlagartig ihre Diskussion und schauten neugierig zu den Ankömmlingen herüber. Doch keiner machte irgendwelche Anzeichen, ihnen zu helfen. Mit geübtem Blick sondierte Mia die Lage. Sie mussten den Wagen von der anderen Seite aus erst ein Stück hochziehen und dann auf die Straße zurück drücken. Kein leichtes Unterfangen. Denn der Wagen schien nicht leicht zu sein. Doch Kneifen galt nicht. Also packten sie und Ranja unter den Rand des Wagens und begannen mit aller Kraft zu ziehen. Ganz leicht rührte sich das Gefährt und hob ein Stück vom Boden ab, doch längst nicht weit genug, um es aufzurichten. Zu zweit würden sie es definitiv nicht schaffen. Nun fasste auch der alte Mann mit an. Aber er verfügte nicht über die nötige Kraft, um ihnen eine wirkliche Hilfe zu sein. Sie brauchten einfach mehr Hände und Muskelkraft, die sie unterstützten.
Verärgert kniff Mia die Augen zusammen und warf den drei immer noch umherstehenden Männern einen finsteren und strafenden Blick zu. Sie erschauerten. Und nun kam plötzlich Bewegung in die Szene. Die drei liefen herbei und platzierten sich neben Mia und Ranja. Mit vereinten Kräften zogen sie erneut. Und siehe da, der Wagen erhob sich Stück für Stück und stand schließlich – wenn auch ein wenig wackelig – wieder auf der Straße. Unter das kaputte Rad stellten die Männer geistesgegenwärtig eine Kiste und begannen, den Schaden zu begutachten. „Das nützt alles nichts.“, tat schließlich einer von ihnen kund. Die Achse ist gebrochen. Selbst mit einem Reserverad kommen wir nicht weiter. Da müssen wir erst einen Stellmacher hierher bemühen.“ Mia merkte, wie der alte Mann neben ihr leicht zusammenzuckte. „Oh nein!“, rief er aus und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, „Ich muss dringend nach Quandala. Wichtige Termine. Wie soll ich da jetzt bloß hinkommen?“ Fragend schaute er in die Runde. Doch keiner antwortete ihm. Da hatte plötzlich einer der Männer offenbar einen Geistesblitz. „Ihr könntet das unverletzte Maultier nehmen und darauf nach Quandala reiten. Wenn ihr angekommen seid, schickt ihr uns den Stellmacher. Wir warten hier so lange und passen auf eure Waren auf.“ Der alte Mann überlegte kurz. Ob die Idee vernünftig war? Schließlich wandte er sich mit fragendem Blick an Mia. „Dürfte ich dann vielleicht mit euch reisen, vorausgesetzt, ihr reitet auch nach Quandala. So alleine ist es mir nicht geheuer. Und ihr macht mir den Anschein, als könntet ihr für angemessene Sicherheit sorgen. Ich will euch
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