Eiskalter Sommer
Wie Jan und Sven.
Verzweifelt stemmte Ostendorff die Hände gegen die Kunststoffabdeckung. Sie knackte und knarrte, gab aber keinen Zentimeter nach.
*
„Das waren Schüsse! Die sind von dort drüben gekommen!“ Marie Janssen lief los, Konrad Röverkamp und einige uniformierte Beamte folgten ihr. Sie traf gleichzeitig mit zwei Kollegen vor dem Gebäude ein. „Wir müssen die Tür aufbrechen“, rief sie und zeigte auf den Eingang.
„Keine Chance“, antwortete einer der Beamten. „Die ist aus Stahl.“
„Dann schießen Sie das Schloss auf!“
Erneut hallten Schüsse durch den aufziehenden Morgen. Sekunden später standen die Polizisten im Inneren der Hütte. Marie schlug die Hand vor Mund und Nase. Es stank nach kaltem Fisch und warmem Blut. Vor ihnen lag ein blutüberströmter Mann. Sie sank auf die Knie und tastete nach seinem Puls, rief dann: „Er lebt!“ Wir brauchen einen Notarztwagen. Schnell!“ Einer der Beamten rannte hinaus, um zu telefonieren.
Plötzlich stand Konrad Röverkamp neben Marie. Er deutete auf eine brummende Tiefkühltruhe. „Los!“, forderte er die anderen Beamten auf. „Holen Sie den Mann da raus.“ Er selbst umrundete das Gerät, bückte sich und riss ein Kabel heraus. Das Brummen erstarb, während die Männer die Seile durchtrennten, um die Abdeckung zu entfernen. Vorsichtig hoben sie Ostendorff heraus.
„Kommt er durch?“ Marie versuchte, mit Verbandsmaterial, das einer der Kollegen aus dem Streifenwagen geholt hatte, die Blutung am Hals des ohnmächtigen jungen Mannes zu stillen.
„Ich glaube, sie schaffen es beide“, brummte Röverkamp, nachdem er die Wunde begutachtet hatte. „Das sieht schlimmer aus, als es ist. Die Verletzung an der Schulter ist nicht gefährlich, und die Halsschlagader ist nicht getroffen. Ostendorff trägt sicher Erfrierungen davon. Aber die sind nicht lebensbedrohlich.“
*
Gut vierundzwanzig Stunden später beglückwünschte Kriminaloberrat Christiansen Hauptkommissar Röverkamp und Kommissarin Janssen zu ihrem Ermittlungserfolg. Björn Clasen hatte angesichts der erdrückenden Indizien die Morde an Evers und Jensen gestanden. Ostendorff dagegen hatte weit von sich gewiesen, Daniel Bohm nach dem Leben getrachtet zu haben.
„Ärgerlich“, befand Christiansen, „dass wir ihm das nicht nachweisen können. Und die Schüsse auf Clasen sind eindeutig Notwehr gewesen.“
Er wedelte mit einigen Tageszeitungen, die dem Fall ihre ersten Lokalseiten gewidmet hatten. „Eine Frage hätte ich noch“, schloss er und ließ den Blick von einem zum anderen wandern. „Wie sind Sie auf die Ereignisse im Winter 1978/79 gekommen?“
„Das war Konrad. Er konnte sich gut an die damaligen Verhältnisse erinnern.“
Röverkamp schüttelte den Kopf. „Das war Marie. Zeitungsleserinnen wissen eben mehr.“
Christiansen grinste. „Wie schön, dass Sie sich einig sind.“
Als er das Büro verließ, blieben die Zeitungen auf Röverkamps Schreibtisch liegen. „Ein bisschen viel Lob auf einmal. Findest du nicht?“ Er nahm die Blätter auf und ließ sie wieder fallen. Dabei fiel sein Blick auf die zweite Schlagzeile des Tages. Halblaut las er vor. „CuxFrisch als Cooperative? Carlos Rodriguez gründet Genossenschaft nach portugiesischem Vorbild.“
Marie Janssen nickte. „Das ist doch mal eine gute Nachricht.“
ENDE
Der Autor
Wolf S. Dietrich lebt in Göttingen und an der Nordseeküste bei Cuxhaven. Er arbeitete als Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Göttingen. Neben seiner Arbeit als Pädagoge schreibt er Kurzprosa und Romane. Eiskalter Sommer ist sein sechster Kriminalroman im Prolibris Verlag. Der Autor ist Mitglied im Syndikat, der Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur.
Mehr Informationen zum Autor unter: www.cuxland-krimi.de
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© Prolibris Verlag Rolf Wagner, Kassel, 2013
Tel.: 0561 / 766 449 0, Fax: 0561 / 766 449 29
Lektorat: Anette Kleszcz-Wagner
Titelfoto:Norbert Arndt, Mulsum
E-Book: Prolibris Verlag
ISBN: 978-3-95475-032-0
Dieses Buch ist auch als Printausgabe im Buchhandel erhältlich. 978-3-935263-47-4
www.prolibris-verlag.de
Ich danke
Jutta Donsbach, Christine Parr, Chantal und Rüdiger Reyhn sowie Dr. Lili Seide für Unterstützung bei der Überarbeitung des Manuskripts, Sabine Heyer, Elmar Drossmann und
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