Eiskalter Sommer
warum gerade jetzt? Warum sind Sie nicht früher zu mir gekommen?“
„Ich habe es versucht, Herr Bohm. Immer mal wieder. Habe Sie aber nicht gefunden. Jetzt erst ist es mir gelungen. Und das auch eher zufäll...“
Die Verbindung riss ab. Nur noch ein Knacken und Rauschen war zu hören. Aber Röverkamp hielt das Mobiltelefon weiter ans Ohr gepresst und rannte in Richtung Werner-Kammann-Straße. Nach wenigen hundert Metern ging ihm die Puste aus. Keuchend verharrte er und ignorierte die verwunderten Blicke von Passanten. In sein Ohr drang wieder der Hintergrundlärm einer Gaststätte. Aber keine Unterhaltung.
Als er das Polizeigebäude erreichte, lebte die Verbindung gerade wieder auf. Doch Musik und Lärm übertönten das Gespräch der Männer. Nur einzelne Wortfetzen erreichten noch sein Ohr. Anscheinend ging es jetzt um das erwähnte Hotel.
Röverkamp stürmte an der Wache vorbei, die Stufen hinauf, ließ sich schwer atmend auf den Bürostuhl vor seinem Schreibtisch fallen. Noch immer stand die Verbindung. Aber offenbar sprachen die Männer nicht. Alles was er hörte, waren typische Kneipengeräusche.
Ostendorff und Bohm treffen sich irgendwo in der Stadt. Wie hat Bohm das geschafft? Womit setzt er Ostendorff unter Druck? Warum stellt Ostendorff eine Handyverbindung zu mir her? Und plaudert offen über das, was er uns partout nicht sagen wollte?
Röverkamp schlug mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. Es ist genau umgekehrt! Ostendorff ist auf die gleiche Idee gekommen wie wir. Er sieht in Bohm den Mörder von Evers und Jensen. Und will ihn sich jetzt vom Hals schaffen. Irgendwie. Bohm spürt das und wählt meine Nummer, um ...
Das Geräusch der aufspringenden Bürotür ließ den Hauptkommissar herumfahren. Marie Janssen sah ihn erwartungsvoll an. „Es gibt Neuigkeiten?“
Erleichtert winkte der Hauptkommissar seine Kollegin heran und streckte ihr das Handy entgegen. „Bohm und Ostendorff sitzen irgendwo in einer Kneipe. Einer von ihnen hat meine Nummer gewählt. Einiges konnte ich verstehen. Ich glaube ...“
Marie nahm das Mobiltelefon und drückte es ans Ohr. Konzentriert lauschte sie eine Weile. „Klingt nach einem Portugiesen. Wenn deine Vermutung stimmt, sitzen sie in einer portugiesischen Kneipe am Hafen.“
„Das kannst du hören?“ Er sah seine Kollegin zweifelnd an.
Marie nickte. „Natürlich kann ich mich irren. Aber ich bin ziemlich sicher. Es klingt etwas hallig, die Musik ist ziemlich laut und hört sich nach Carla Pires an. Glaubst du, dass Bohm Ostendorff umbringen will?“
„Oder umgekehrt. Es könnte doch sein, Ostendorff hält Bohm für den Mörder von Evers und Jensen. Und jetzt will er ihn möglicherweise beseitigen. Wir müssen so schnell wie möglich hin. Ich habe bereits die Ortung des Handys veranlasst.“
„Dann lass uns schon mal losfahren. Bis wir die Daten kriegen, haben wir sie längst gefunden. Viele Möglichkeiten gibt’s nicht. Wahrscheinlich sind sie im Costa Nova.“
*
Daniel Bohm schwankte, als sie das Lokal verließen. Ostendorff deutete in Richtung Alter Fischereihafen. „Lassen Sie uns noch ein paar Schritte gehen. Der Vinho verde hat es in sich. Bevor wir fahren, sollten wir noch ein wenig den Kopf auslüften. Ich jedenfalls.“
„Eigentlich ist doch alles besprochen.“ Bohms Zunge war schwer geworden. „Dieses ... Knoblauch-Hähnchen war aber auch ziemlich ... Und der Wein ... Ich habe noch immer Brand wie ‘ne Bergziege. Lass uns – ‘tschuldigung. Ich muss noch irgendwo ein Bier trinken.“
„Gute Idee.“ Ostendorff zog seinen Begleiter am Ärmel. „Kommen Sie, auf der anderen Seite gibt’s jede Menge Bier.“
*
Den Wagen hatten sie in einiger Entfernung vom Costa Nova abgestellt. Nun hasteten sie die Präsident-Herwig-Straße entlang. Marie eilte voran, und Konrad Röverkamp hatte Mühe, ihr zu folgen. Hin und wieder hielt er sein Handy ans Ohr. Aber die Verbindung war offensichtlich unterbrochen. Schließlich schaltete er es ab. Marie betrat das portugiesische Restaurant. Sie entdeckte weder Ostendorff noch Bohm.
„Hoffentlich kommen die bald mit den Funkzellen-Daten rüber“, keuchte der Hauptkommissar hinter ihr. „Dieses Rumgerenne ist nichts für mich.“
„Wir können uns aufteilen“, schlug Marie vor. „Du schaust dich hier weiter um, und ich sehe da drüben nach.“ Sie wies in Richtung Neuer Fischereihafen. „Oder sollen wir auf die Kollegen warten?“
Es war gegen die Vorschrift, aber Röverkamp
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