Eisrose
mutierte.
Die scharfe Klinge wurde an den Ausschnitt des Kleides gesetzt, ein kurzes Ratschen, und der Stoff klaffte vorn weit auseinander. Ein paar Blutstropfen begannen aus Leahs heller Haut hervorzuquellen, als das Messer zwischen ihren Brüsten hinabglitt.
„Ich werde dir jetzt das Messer in die Hand legen, und schon bald wird so viel Lebenssaft aus deinen Handgelenken laufen, dass dein Ende nicht mehr weit ist. Dann ist es vorbei, endgültig vorbei. Und alles kann wieder in vertrauten Bahnen verlaufen.“
Kurz darauf lag der Griff des Messers in Leahs schlaffer, rechter Hand. Ihre Finger wurden zusammengedrückt und beide Hände zueinander geführt.
„Du hast dich zu weit vorgewagt. Dafür wirst du büßen.“ Scharf und gellend hallten die Worte durch das Gartenhaus.
Die Klingenspitze wurde präzise auf der Pulsader platziert. Gleich war es so weit. Irres Lachen begleitete jede Bewegung.
Dann ein fester Griff von hinten, ein Schlag gegen das Messer, und selbiges flog in hohem Bogen durch die Luft, landete klirrend in einer Ecke. Der Griff um den Oberarm wurde unbarmherziger, laut ertönte eine schneidende Stimme: „Was um Himmels willen tust du da?“
Valéries Kopf fuhr herum, ihr Blick war fassungslos. Wie ein Film lief noch einmal vor ihr ab, was geschehen war, als Leah geflohen war:
Dominik war zu ihr herumgewirbelt, mit blanker Wut in seinen Augen. Er war aus dem Käfig gestürmt, hatte sich das Cape vom Leib gerissen und sie wie ein Wahnsinniger geschüttelt.
Und nun das!
Wieso war sie so unvorsichtig gewesen? Sie hätte alles genauer planen müssen, statt ihrem ersten Impuls nachzugeben. Sie war allerdings nicht mehr Herrin ihrer Sinne gewesen, nachdem Dominik sie mit Vorwürfen überschüttet hatte.
„Was führst du im Schilde?“, hatte er gebrüllt. „Wieso bringst du Leah hierher? Willst du einen Keil zwischen uns treiben? Aber das wird dir nicht gelingen, weil sie etwas ganz Besonderes für mich ist – weil ich sie liebe.“
Diese Worte hatten nicht nur gesessen, sie hatten ihr das Herz und die Seele aus dem Leib gerissen und bewirkt, dass sie nur noch von einem Gedanken beseelt war: Leah so schnell wie möglich zu vernichten.
Ihr flackernder Blick glitt zu Andrés Schuhen. Er stand seitlich hinter ihr, wie ein Schraubstock hielt seine Hand ihre beiden Arme hinter ihrem Rücken in Schach.
Dabei hatte alles so gut begonnen. Sie hatte von dem Kunstblut-Shooting gewusst und lediglich eines im Sinn gehabt: Dass Leah dachte, alles wäre echt, und sich deshalb von Dominik distanzierte. Nie wäre Valérie auf die Idee gekommen, dass alles so anders verlaufen und er am Ende noch seine Liebe zu dieser Frau hinausposaunen würde.
Brennendes Schluchzen drang aus ihrer trockenen Kehle.
„Wieso?“ Andrés Stimme drang wie durch dunkle Nebelwände zu ihr durch.
Was verstand er schon? Was wusste er?
Gar nichts!
Er verstärkte seinen Griff. „Was hat Leah dir getan?“
„Sie wollte mir Dominik wegnehmen“, brach es mit einem Mal hysterisch aus Valérie heraus. „Hätte sie sich nicht damit begnügen können, ihn nur anzuschmachten und sich von ihm bespielen zu lassen, wie alle anderen Frauen auch? Nein, sie musste ja testen, wie weit sie gehen kann und ihre dämlichen Gefühle ins Spiel bringen. Damit hat sie Dominiks Genialität vollkommen durcheinandergebracht.“ Sie kicherte irre.
„Deinen Bruder hättest du nie verloren. Egal welche Rolle eine Frau in seinem Leben spielt.“
„Idiot“, zischte sie. „Seit ich denken kann, ist er der einzige Mann, den ich liebe. Ich werde nicht dulden, dass eine dahergelaufene Gans mein Leben kaputt macht. Ich habe viel zu viel riskiert und auch investiert.“
„Aber er ist dein Bruder.“
„Mein Stiefbruder“, erwiderte sie schneidend.
„Dein Stiefbruder?“
„Ja. Dominiks Vater hat sich in meine Mutter verliebt, da war ich noch ein Kind. Seitdem teilen wir unser Leben. Niemand macht das kaputt.“
„Und weil du ihn liebst, wolltest du Leah töten – und hast Cathérine auf dem Gewissen?“
„Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt“, zischte sie.
In dem Moment, als er etwas lockerer ließ, wirbelte sie wie eine Furie zu ihm herum und schlug mit den Fäusten auf ihn ein. „Aber du musstest es mir ja vermasseln. Was fällt dir überhaupt ein, mir hinterherzuschnüffeln?“
Es dauerte, bis André wieder Herr der Lage wurde. Mit einem Griff, den er bei einem seiner Selbstverteidigungslehrgänge gelernt hatte, gelang es
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