Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Geist des Highlanders

Titel: Der Geist des Highlanders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Kurland
Vom Netzwerk:
Prolog
    Thorpewold, Großbritannien Frühling 2005
    Sanft sank die Dämmerung über Thorpewold Castle herab. Die verfallene Pracht bildete die Kulisse für eine Szene, die sich in jedem der mittelalterlichen Schlösser auf der Insel hätte abspielen können.
    Der Laird gab seinen Gefolgsleuten mit fester Stimme Anweisungen; er war gerecht und äußerst umsichtig. Seine Leute gehorchten den Befehlen des Lairds widerspruchslos. Bauern taten emsig ihre Arbeit, zufrieden mit ihrem Los und ängstlich darauf bedacht, ihrem Herrn zu dienen. Die Schläge des Schmiedehammers und die Laute des Viehs schallten durch die Luft. Männer unterhielten sich über das kühle Frühjahr und den Regen, der ausgerechnet in dem Augenblick einzusetzen schien, als sie zu ihren Fechtübungen ins Freie gegangen waren.
    Es war ein Tag wie jeder andere, ein Tag, wie ihn jeder brave Mann zu beiden Seiten des Hadrianwalls erleben konnte.
    Allerdings war dies nicht das mittelalterliche Schottland.
    Und die Menschen in der Burg waren genau genommen auch keine Sterblichen.
    Ambrose MacLeod wusste das. Er stand direkt hinter dem Außentor und beobachtete das Treiben. Er stellte den Fuß auf einen Stein, um sich bequemer an die Mauer lehnen zu können. Ja, ihm war nur allzu klar, was es hieß, ein Laird zu sein, schließlich war er selber einmal einer gewesen, und sein Clan war kriegerisch und schwer zu führen gewesen. Mit geübtem Blick musterte er den frisch ernannten Laird of Thorpewold
    Castle, um abzuschätzen, wie effektiv der Mann seine Aufgabe erfüllen würde, eine Burg dieser Größe samt den Kerlen, die dazu gehörten, zu regieren. Nun, effektiv war sicher ein viel zu zahmes Wort für die Art von Herrschaft, die Connor MacDougal ausüben würde.
    Dieser MacDougal stand gerade auf der Außenmauer und gebot so bestimmt über seine Truppen, dass jeder Monarch der Gegenwart und der Vergangenheit ihn dafür bewundern müsste.
    »Du da«, sagte er und zeigte auf einen unglückseligen Schotten mit knochigen Knien, »du übernimmst die erste Wache. Die Mauern werden rund um die Uhr abgesichert.«
    Der Mann neigte respektvoll seinen Kopf. »Aber wir haben doch gar keine Mauern, die wir bewachen könnten, Mylord.«
    Connor zeigte hinter sich auf die einzige Mauer, an der der Zahn der Zeit nicht genagt hatte. »Hier ist doch eine Mauer. Bewach sie.«
    Der Mann eilte davon, sein karierter Rock flatterte ihm um die dünnen Beine.
    »Und du da«, sagte MacDougal und zeigte auf einen anderen Mann, »du bewachst die Tore. Und du das Vieh. Du, Robert, du kümmerst dich um die Ställe. Ich will nicht, dass meinen Pferden etwas geschieht.«
    Ambrose betrachtete das einsame Pferd im Hof, einen alten, nutzlosen Gaul, der selbst im äußersten Notfall kein geeignetes Reittier für einen Highlander abgegeben hätte. Warum kümmerte sich Connor überhaupt darum?
    Andererseits hatte der Mann siebenhundert Jahre lang warten müssen, bis er die Burg sein Eigen nennen konnte; angesichts dieser Tatsache war es wahrscheinlich nicht weiter verwunderlich, dass er sein Eigentum beschützen wollte.
    »Mylord«, begann ein Mann, der seine Kappe verlegen in den Händen drehte, »was ist mit dem Turm? Der Turm, den der junge Thomas McKinnon vollendet ...«
    Connor fluchte. »Wir tun so, als gäbe es ihn nicht.« »Aber wird er nicht zurückkommen, um Gebrauch von ihm zu machen?«
    »Nicht, wenn er weiß, was gut für ihn ist«, knurrte Connor. »Und jetzt verschwinde und belästige mich nicht weiter mit deinen dummen Fragen. Kümmere dich um die Hühner.«
    »Aber, Mylord«, wandte der junge Mann ein und bearbeitete seine Kappe so heftig, als wolle er sie zu Filz verarbeiten, »wir haben keine Hühner. Wir haben ... Huhn.«
    Connor runzelte die Stirn. »Huhn?«
    »Ein Huhn, Mylord.«
    »Dann geh und kümmere dich darum, du Tölpel!«
    »Aber es ist schon beinahe dunkel, Mylord. Das Huhn schläft.«
    »Week es auf und bring es in den Stall!«, rief Connor.
    Der Mann nickte, verbeugte sich tief und eilte davon.
    Kurz darauf hörte man eine Henne lautstark protestieren.
    Ambrose lachte. Die Heiligen mochten all diese armen Narren vor Connor MacDougals Zorn bewahren. Aber wenigstens hatten sie eine anständige Burg, um diese Qualen zu ertragen.
    Ambrose blickte zufrieden über die Festung. Jawohl, es war eine schöne Anlage. Der hintere Turm war im letzten Sommer von Thomas McKinnon wiederhergestellt worden. Thomas’ Aufenthalt auf Thorpewold war eine interessante Angelegenheit.

Weitere Kostenlose Bücher