Elefanten vergessen nicht
die im Schlaf fortlief und hinunterstürzte.‹
Wir schafften es. Wir brachten Dolly in eine leer stehende Hütte, ich blieb einige Tage bei ihr. Alistair Ravenscroft erzählte den Leuten, Molly sei ins Krankenhaus gekommen, um sich von dem Schock über den Tod ihrer Schwester zu erholen. Dann brachten wir Dolly zurück – als Molly –, in einem Kleid von Molly und mit ihrer Perücke. Ich besorgte zusätzlich noch Perücken – die mit den Löckchen, in der sie wirklich ganz echt wirkte. Die gute alte Janet, die Haushälterin, sah sehr schlecht. Dolly und Molly waren sich sehr ähnlich, wissen Sie, auch in ihrer Stimme. Jeder akzeptierte ohne Weiteres, dass Molly sich ab und zu etwas merkwürdig benahm, schließlich stand sie noch unter dem Schock. Es wirkte alles ganz echt. Das war die schrecklichste Seite an der ganzen Sache…«
»Aber wie hielt sie durch?«, fragte Celia. »Es muss doch entsetzlich schwierig gewesen sein.«
»Nein, sie fand es nicht, denn sie hatte ja, was sie wollte, was sie immer gewollt hatte: Alistair…«
»Aber wie konnte Alistair Ravenscroft das ertragen?«
»Er sagte mir, warum und wie – an dem Tag, als er meine Rückkehr in die Schweiz beschlossen hatte. Er erklärte mir, was ich zu tun hatte und was er tun wollte. Er sagte: ›Für mich gibt es nur eins. Ich habe Margaret versprochen, dass ich Dolly nicht der Polizei übergebe und es nie herauskommt, dass sie eine Mörderin ist, und dass die Kinder es nie erfahren. Niemand braucht zu wissen, dass Dolly einen Mord beging. Sie lief eben im Schlaf weg und stürzte über die Klippen – einfach ein trauriger Unfall. Molly wird hier auf dem Friedhof und unter Dollys Namen beigesetzt.‹
›Wie können Sie das zulassen?‹, fragte ich. Es war beinahe nicht mehr zu ertragen.
Er sagte: ›Verstehen Sie doch, Dolly darf nicht länger leben. Wenn sie unter Kindern ist, wird sie noch mehr Leben vernichten… die arme Seele, sie ist so hilflos. Und ich werde meine Tat mit meinem eigenen Leben bezahlen. Ein paar Wochen werden wir hier noch ruhig leben, Dolly spielt die Rolle von Molly, und dann ereignet sich noch eine Tragödie.‹
Ich verstand nicht, was er meinte. Er erklärte es mir: ›Die Welt erfährt nur, dass Molly und ich, dass wir beide Selbstmord begingen. Ich glaube nicht, dass die Ursache jemals bekannt wird. Man wird vermuten, sie sei krebskrank gewesen – oder, dass ich es glaubte… alles Mögliche. Sie müssen mir helfen, Zélie! Sie liebten Molly und die Kinder. Wenn Dolly sterben muss, bin ich der Einzige, der es tun kann. Sie wird nichts spüren oder Angst haben. Ich erschieße sie, und dann töte ich mich selbst. Man wird ihre Fingerabdrücke auf dem Revolver finden, weil sie ihn vor Kurzem in der Hand hatte. Und meine werden auch darauf sein. Die Gerechtigkeit muss ihren Lauf nehmen. Ich habe beide geliebt – und liebe sie noch immer. Molly liebte ich mehr als mein Leben. Dolly tat mir so leid.‹ Er fügte noch hinzu: ›Vergessen Sie das nie…‹«
Zélie stand auf und trat auf Celia zu. »Nun kennst du die Wahrheit«, sagte sie. »Ich versprach deinem Vater, dass du sie nie erfahren würdest – ich habe mein Wort gebrochen. Ich wollte sie nie verraten, weder dir noch irgendjemand anderem. Aber Monsieur überzeugte mich. Es ist eine so schreckliche Geschichte…«
»Ich verstehe gut, was du gefühlt hast«, antwortete Celia. »Vielleicht hattest du von deinem Standpunkt aus Recht, aber ich – ich bin froh, dass ich die Wahrheit weiß. Mir ist ein großer Stein vom Herzen gefallen…«
»Weil«, sagte Desmond, »wir jetzt beide die Wahrheit kennen. Und dieses Wissen wird uns nie belasten. Es war eine Tragödie. Wie Monsieur Poirot sagte, die Tragödie zweier Menschen, die sich liebten. Aber sie töteten sich nicht gegenseitig aus Liebe. Der eine wurde ermordet, und der andere richtete die Mörderin. Man muss ihm vergeben, wenn er falsch gehandelt hat, aber ich glaube, dass es nicht falsch war.«
»Sie war eine böse Frau«, bemerkte Celia. »Sogar als Kind hab ich mich vor ihr gefürchtet, nur wusste ich nicht, warum. Jetzt weiß ich es! Ich glaube, mein Vater war ein tapferer Mann. Er tat, worum ihn meine Mutter mit ihrem letzten Atemzug gebeten hatte. Er rettete ihre Zwillingsschwester, die sie immer sehr geliebt hatte. Ich möchte gern glauben ach, sicher ist es dumm von mir, so was zu sagen…« Sie sah Hercule Poirot zweifelnd an. »Vielleicht denken Sie anders. Es steht auf ihrem Grabstein: ›Im
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