Elenium-Triologie
und sagte offenbar etwas, obwohl Sperber nur das Prasseln des Feuers zu hören vermochte. Mit einer beängstigend ruckartigen Bewegung setzte sich das junge Mädchen auf. Es war Ehlana. Ihr Gesicht war verzerrt und ihre weit offenen Augen wirkten leer.
Unbedacht streckte Sperber die Hand nach ihr aus und stieß direkt in die Flammen.
»Nein!« rief Sephrenia scharf und zog seinen Arm zurück. »Ihr dürft nur zusehen!«
Das Abbild Ehlanas zitterte krampfartig, als es auf die Füße kam und offensichtlich den lautlosen Befehlen der zierlichen Frau in Weiß folgte. Gebieterisch deutete Sephrenia auf den Thron, und Ehlana stolperte, ja taumelte die Stufen des Podestes hoch, um ihren rechtmäßigen Platz einzunehmen.
Sperber weinte. Er versuchte noch einmal, nach seiner Königin zu greifen, aber Sephrenia hielt ihn mit sanfter Berührung zurück, die dennoch fest wie eine Eisenkette war. »Nur beobachten, Lieber«, mahnte sie.
Die zwölf Ritter bildeten nunmehr einen Kreis um die Königin auf dem Thron und die Weißgewandete an ihrer Seite. Ehrfurchtsvoll streckten sie ihre Schwerter aus, so daß die beiden Frauen von Stahl umringt waren. Sephrenia hob die Arme und sprach. Ganz deutlich konnte Sperber ihre Anspannung sehen, als sie die Worte eines Zaubers rief, den er sich nicht einmal vorzustellen vermochte.
Die Spitze eines jeden der zwölf Schwerter begann zu glühen, zusehends stärker und heller. Sie tauchten das Podest in tiefes, silberweißes Licht. Und dieses Licht von den Schwertspitzen schien sich um Ehlana und ihren Thron zu verdichten. Da rief Sephrenia ein Wort und schwang dabei in schneidender Bewegung den Arm hinab. In diesem Augenblick erstarrte das Licht um Ehlana, und sie wurde so, wie Sperber sie an diesem Morgen im Thronsaal gesehen hatte. Das Abbild von Sephrenia dagegen erschlaffte und brach auf dem Podest neben dem in Kristall gehüllten Thron zusammen.
Die Tränen strömten jetzt über Sperbers Gesicht, und Sephrenia nahm zärtlich seinen Kopf in ihre Arme. »Es ist nicht leicht, Sperber«, versuchte sie ihn zu trösten. »Auf diese Weise ins Feuer zu sehen, öffnet das Herz und deckt unser wahres Ich auf. Ihr seid viel sanfter, als Ihr glauben machen wollt.«
Er wischte sich mit dem Handrücken die Augen. »Wie lange wird der Kristall sie am Leben erhalten?« fragte er.
»Solange wir dreizehn leben, die wir dort waren«, antwortete Sephrenia. »Im Höchstfall ein Jahr nach elenischer Zeitmessung.«
Er starrte sie an.
»Es ist unsere Lebenskraft, die ihr Herz am Leben hält. Wenn die Jahreszeiten wechseln, wird einer nach dem anderen ausfallen, und einer von den dreizehn, die dabei waren, muß dann die Last der Ausgeschiedenen übernehmen. Schließlich – wenn jeder einzelne von uns alles gegeben hat, was er zu geben vermochte – wird Eure Königin sterben.«
»Nein!« rief Sperber heftig. Er blickte Vanion an. »Wart Ihr auch dabei?«
Der Hochmeister nickte.
»Wer noch?«
»Dies zu erfahren würde Euch nichts nützen, Sperber. Wir wußten alle, was uns erwartete, und gingen bereitwillig.«
»Wer wird die Last auf sich nehmen, die Ihr erwähnt habt?« fragte Sperber Sephrenia.
»Ich.«
»Das ist noch nicht entschieden!« widersprach Vanion. »Eigentlich kann es jeder, der dabei war.«
»Nur wenn wir den Zauber ändern, Vanion«, entgegnete sie mit einem Hauch Befriedigung.
»Wir werden sehen.«
»Aber was nutzt es?« fragte Sperber. »Ihr habt Ehlana lediglich ein weiteres Jahr geschenkt, und das zu einem schrecklichen Preis. Und sie weiß es nicht einmal!«
»Wenn wir die Ursache der Krankheit entdecken und eine Heilmöglichkeit finden können, läßt sich der Zauber rückgängig machen«, erklärte Sephrenia. »Wir haben ihr Leben verlängert, um uns Zeit zu verschaffen.«
»Gibt es Fortschritte?«
»Ich habe jeden Arzt und Heiler in Elenien darauf angesetzt«, versicherte ihm Vanion, »ebenso andere in verschiedenen Landesteilen von Eosien. Sephrenia beschäftigt sich mit der Möglichkeit, daß die Krankheit nicht natürlichen Ursprungs ist. Wir stoßen jedoch auf einigen Widerstand. Die Hofärzte weigern sich, uns zu unterstützen.«
»Dann werde ich zum Schloß zurückkehren«, erklärte Sperber finster. »Vielleicht kann ich sie zu größerer Hilfsbereitschaft überreden.«
»Wir dachten selbst bereits daran, doch Annias läßt alle Ärzte bewachen.«
»Was führt Annias eigentlich im Schilde?« stieß Sperber zornig hervor. »Wir wollen doch lediglich Ehlana
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