Der Cartoonist
Sean Costello
Der Cartoonist
Aus dem
Amerikanischen von Usch Kiausch
FESTA
1. Auflage
August 2004 Originaltitel: The Cartoonist © 1990 by Sean Costello ©
dieser Ausgabe 2004 by Festa Verlag, Leipzig Umschlaggestaltung: www.babbarammdass.de Druck und Bindung:
Finidr, s.r.o Alle Rechte vorbehalten
ISBN 3-935822-77-4
scanned by cully
PROLOG
Sonntag, 12. Juli 1972
Sie waren zu
dritt unterwegs: Scott Bowman saß am Steuer, Brian Horner auf dem Beifahrersitz
und Jake Laking hinten. Es war noch früh am Morgen: 5 Uhr 35. Im Osten tauchte
jetzt der feuerrote Bogen der aufgehenden Sonne auf, der mit jeder Minute mehr
vom Himmel einnahm. Es sah so aus, als öffne sich ein schläfriges Auge. Scott
hatte das Fenster an der Fahrerseite ganz heruntergekurbelt und hielt sein
müdes Gesicht immer wieder in den kühlen Fahrtwind. Er hatte zunehmend
Schwierigkeiten, sich auf die vom nächtlichen Nieselregen glitschige Straße zu
konzentrieren.
»Komm schon,
Jake«, sagte er, nach hinten gewandt, »ich bin völlig fertig. Und so
angetrunken, wie ich bin, sollte ich, bei Gott, nicht weiterfahren. Also, sag
schon: Wo sind wir hier überhaupt ?«
Vom Rücksitz
des VW-Käfers war ein besoffenes Kichern zu hören. Gleich darauf schaltete Jake
die Innenbeleuchtung ein und faltete so geräuschvoll wie umständlich die
Straßenkarte vom Südosten Neuenglands auseinander.
»Hab nicht den
blassesten Schimmer«, erwiderte er nach einer halben Ewigkeit. Jake war auf
ihrer Tour theoretisch für die Navigation verantwortlich. Wie gesagt,
theoretisch. In der Hoffnung, irgendwo einen Campingplatz oder ein billiges
Motel zu finden, waren sie schon vor fast einer Stunde kurz hinter Boston von
der Interstate 90 nach Norden abgebogen.
Wieder das
Kichern von hinten: »Tja, sieht so aus, als hätten wir uns verfahren .«
»Na, super!«
Scott hämmerte mit der Faust auf das Lenkrad. Neben ihm hing Brian benebelt auf
dem Beifahrersitz und döste vor sich hin. »Wirklich super.«
Jakes gute
Laune war wie weggeblasen: »Jetzt bleib mal locker! Ist doch scheißegal, wo wir
sind. Wir machen doch einen drauf, schon vergessen ?« Er kramte in der Vordertasche seiner ausgewaschenen Levis herum und fischte
schließlich einen kleinen Plastikbeutel heraus. »Außerdem hab ich hier was
Nettes, das uns alle wieder gut drauf bringt !« Er
wedelte mit dem Beutel herum, wobei er fast Scotts rechtes Ohr erwischt hätte.
»Was ist das ?« Scott versuchte, im Rückspiegel zu erkennen, was Jake da
hervorgeholt hatte. Gerade noch rechtzeitig, um den Wagen in eine scharfe, nicht
markierte Kurve zu manövrieren, wandte er den Blick wieder der schmalen
Landstraße zu.
»Ich hab die
kleinen Spaßmacher in dieser Bar in Boston besorgt«, berichtete Jake unbeirrt.
»Ein paar Züge von diesem vorzüglichen Kraut, und dir wird's völlig schnuppe
sein, wo du gerade bist .«
»Dope ?« , fragte Scott entnervt. »Das ist ja wohl das Letzte,
Mann! Ich dachte, das hättest du spätestens in der High-School aufgegeben.
Weißt du eigentlich, wie tief wir in der Scheiße sitzen, wenn wir mit dem Zeugs
hier im Auto erwischt werden? Wir sind jetzt in den Staaten, du Vollidiot. Das
hier ist nicht Kanada. Wir verlieren unsere Medizin-Studienplätze - und das ist
noch nicht mal das Schlimmste, was uns erwarten könnte .«
Scott
schüttelte den Kopf - zum Teil, um seinen Arger auszudrücken, aber vor allem,
um wieder klare Sicht zu bekommen. Er hatte mehr getrunken, als er gewohnt war,
und nun ließ seine Konzentrationsfähigkeit gefährlich nach. Die Autobahn war ja
noch eine leichte Übung gewesen -schnurgerade und so breit, dass man meistens
ganz mechanisch hatte fahren können. Aber wo immer sie jetzt gelandet sein
mochten: Hier brauchte er jedes bisschen Konzentration, das er aufbringen
konnte. Die Straße war nicht beleuchtet und kurvig, streckenweise geradezu
tückisch.
Eine merkwürdige
Stille machte sich im Auto breit. Nur Brian wälzte sich - mit seinem für einen
Linebacker (Anm. d. Ü.: Mittelfeld-Verteidiger im
American Football) typischen
massigen
Körper - im zerschlissenen Sitz hin und her und schien nichts von der niederdrückenden
Stimmung zu bemerken.
Jake konnte an
einer kleinen Aufmunterung nichts Schlimmes finden. Sie wollten doch nur
Spaß haben und ihre Zulassungen zur Medizinischen Hochschule feiern. Das war
der Hauptzweck ihrer kleinen Reise. Nebenbei wollten sie natürlich auch die
jeweiligen Universitäten ansehen, an denen sie
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