Elenium-Triologie
Talen, der auf einem müde aussehenden Falben neben Sephrenias Schimmelzelter ritt. Der Junge spähte immer wieder besorgt über die Schulter. »Du bist erstaunlich still«, sagte er zu ihm.
»Junge Leute sollen in Gegenwart von Älteren nur reden, wenn sie gefragt werden, Sperber«, antwortete Talen schlagfertig. »Das hat man mir in der Schule beigebracht, auf die Kurik mich geschickt hat. Ich versuche mich daran zu erinnern – wenn ich es für sinnvoll halte.«
»Das Bürschchen ist naseweis!« bemerkte Dolmant.
»Und ein Dieb, Eminenz«, warnte Kalten. »Kommt ihm nicht zu nah, falls Ihr irgendwelche Wertsachen bei Euch tragt.«
Dolmant sah den Jungen streng an. »Ist dir denn nicht bewußt, daß die Kirche das Stehlen verdammt?«
»Doch.« Talen seufzte. »Ich weiß. Die Kirche beweist in solchen Dingen wenig Toleranz.«
»Hüte deine Zunge!« schnaubte Kurik.
»Ich kann sie nicht sehen. Die Nase ist im Weg.«
»Die Unverfrorenheit des Jungen ist vielleicht verständlich«, sagte Dolmant nachsichtig. »Ich bezweifle, daß er viel über Gebote oder Sittlichkeit gelernt hat.« Er seufzte. »In vieler Hinsicht sind die armen Straßenkinder so heidnisch wie die Styriker.« Er blickte ein wenig verlegen lächelnd auf Sephrenia, vor der Flöte, in einen alten Umhang gewickelt, im Sattel saß.
»Das stimmt nicht ganz, Eminenz« widersprach Talen. »Ich besuche den Gottesdienst regelmäßig und höre mir die Predigten aufmerksam an.«
»Erstaunlich«, sagte der Patriarch.
»Eigentlich nicht«, widersprach Talen aufs neue. »Die meisten Diebe gehen in die Kirche. Opferstock und Klingelbeutel haben so allerlei zu bieten.«
Dolmant blickte ihn entsetzt an.
»Seht es so, Eminenz«, erklärte Talen mit gespieltem Ernst, »die Kirche verteilt Geld an die Armen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich.«
»Nun, ich bin einer der Armen, also nehme ich mir meinen Teil, wenn der Klingelbeutel an mir vorbeikommt. Das erspart der Kirche die Zeit und Mühe, nach mir zu suchen, um mir das Geld zu geben. Ich helfe gern, wo ich kann.«
Dolmant starrte ihn an, dann lachte er plötzlich laut heraus.
Einige Meilen weiter sahen sie eine Schar Leute, deren grobe Kittel sie als Styriker auswiesen. Kaum hatten sie Sperber und seinen Trupp erblickt, rannten sie verängstigt in die nächste Wiese.
»Wovor fürchten sie sich?« fragte Talen verwundert.
»Neuigkeiten verbreiten sich in Styrikum rasch«, antwortete Sephrenia. »Es gab da in letzter Zeit gewisse Vorfälle.«
»Vorfälle?«
Sperber erzählte ihm knapp von der styrischen Ortschaft, auf die sie in Arzium gestoßen waren. Talen wurde blaß. »Das ist ja ungeheuerlich!« rief er.
»Die Kirche versucht seit Jahrhunderten mit dergleichen aufzuräumen«, sagte Dolmant bedrückt.
»Ich glaube, wir haben in jenem Teil von Arzium ziemlich wirkungsvoll damit aufgeräumt«, versicherte ihm Sperber. »Ich sandte einen Trupp aus, um die dafür Verantwortlichen zu bestrafen.«
»Habt Ihr sie aufgehängt?« fragte Talen heftig.
»Das wollte Sephrenia nicht zulassen, also peitschten meine Männer sie statt dessen aus.«
»Das war alles?«
»Sie benutzten Dornbüsche als Peitschen. In Arzium werden die Stacheln sehr lang, und ich wies meine Männer an, gründlich zu sein.«
»Ein wenig drastisch«, sagte Dolmant.
»Wir fanden es zu dem Zeitpunkt sehr passend, Eminenz. Die Ordensritter haben eine enge Beziehung zu Styrikern, und wir haben etwas gegen Leute, die unsere Freunde mißhandeln.«
Die blasse Wintersonne glitt in eine rotgetönte Wolkenbank, als sie an einem heruntergekommen Gasthof an der Straße ankamen. Sie aßen eine nicht sehr zufriedenstellende Mahlzeit, bestehend aus dünner Suppe und fettem Hammelfleisch, und gingen früh schlafen.
Der folgende Morgen war klar und kalt, die Straße eisenhart gefroren und das Farnkraut an beiden Seiten weiß von Reif. Obwohl die Sonne blendend schien, strahlte sie kaum Wärme aus. Fest in die Umhänge gehüllt, um sich vor der beißenden Kälte zu schützen, trabte der kleine Trupp dahin.
Die Straße schlängelte sich über die Hügel und durch die Täler von Mittelelenien und teilte brachliegende Felder. Sperber schaute sich im Sattel interessiert um. Kalten und er waren in diesem Landesteil aufgewachsen und wie jeder, der nach vielen Jahren an den Ort seiner Kindheit zurückkehrt, hatte er das Gefühl heimzukommen. Die Selbstzucht, die zur Ausbildung eines Pandioners gehörte, veranlaßte Sperber für gewöhnlich,
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