Elke und ihr Garten
DAS HAUS AM SEE
Eines Abends, Ende Februar, saßen die
fünf Geschwister Tadsen allein am Abendbrottisch. Die Eltern waren im Theater.
Eine lebhafte Unterhaltung war im Gange, denn der Vater hatte vor kurzem eine
Entscheidung getroffen, die alle anging. Er hatte in einem nahen Walddorf ein
Haus mit einem Garten gekauft.
In diesem Augenblick waren die
Geschwister dabei, halb im Ernst, halb im Scherz zu erörtern, warum der Vater
sich nach längerem Zögern wohl doch schließlich zu dem Kauf entschlossen hätte.
„Kinnings“, sagte Anke, die junge
Ärztin, „das müßt ihr selbst zugeben — wenn ich nicht immer gepriestert hätte,
daß es viel gesünder ist, draußen im Grünen anstatt hier in einer stickigen
Großstadt zu wohnen —“.
„Erlaube mal!“ unterbrach sie Jens,
der Student. „Den endgültigen Ausschlag für den Kauf des Hauses habe bestimmt
ich gegeben. Meine Leidenschaft fürs Tennis mußte eines Tages dazu führen, daß
wir Besitzer eines eigenen Tennisplatzes wurden.“
„Laßt euch alle beide nicht
auslachen!“ wandte Ulf jetzt ein. „Für den Kauf eines großen Grundstücks können
nur kaufmännische Überlegungen maßgebend sein. Wenn ich nicht durch meinen
Freund Genaues darüber erfahren hätte, daß das Landhaus des alten Konsuls
Lorenzen viel mehr wert ist, als dafür gefordert wurde, dann hätte Vater es
wahrscheinlich nie genommen!“
Gisela, die Zwanzigjährige, lachte:
„Nun fehlte nur noch, daß ich behaupten wollte, leidlich musikalische Mädchen
wie ich brauchten unbedingt ein Musikzimmer! Hier in der Wohnung ist kein Platz
dafür — was lag also näher, als daß unsere Eltern endlich ein Haus anschafften,
in dem auch ein Musikzimmer eingerichtet werden kann!“
Ulf wandte sich jetzt an Elke. „Na, du
Jüngste vom Stamme Tadsen, und weswegen haben wir dir das neue Haus zu verdanken?“
Elkes große, weiße Zähne blitzten zu
einem etwas verschmitzten Lachen auf, aber zum Antworten kam sie nicht, denn
das nahm Anke ihr ab.
„Was für einen Unsinn haben wir eben
alle geredet!“ sagte Anke. „Wir Großen brauchen uns wirklich nichts vorzumachen!
Elke ist und bleibt das Nestküken, dessen Wünsche für die ganze Familie
maßgebend zu sein haben!“
„Ich wollte, es wäre so!“ erwiderte
Elke und nahm sich eine neue Brotscheibe.
Anke war seit längerer Zeit immer sehr
zärtlich zu der jüngeren Schwester, und so legte sie auch jetzt den Arm um die
neben ihr Sitzende . „Meine gute, kleine Deern!“ fuhr
sie fort, „es ist so: Mutti und Vati sprechen beide immer nur davon, daß du nun
bald dein eigenes Stück Gartenland bekommst, du hast Blumen und Tiere schon
immer gern gehabt, du paßt viel besser aufs Land als in die Stadt, du blühst
jedesmal richtig auf, wenn du ein paar Wochen aus der Stadt heraus warst. Was
wir andern tun und möchten, ist lange nicht so wichtig.“
„Was du bloß für eine lebhafte
Phantasie hast!“ Elke befreite sich aus der Umarmung der Schwester, aber die
andern lächelten zustimmend. Sie fanden es sehr richtig, was Anke gesagt hatte.
„Das mag nun alles sein, wie es will“,
erklärte Gisela. „Es ist auf jeden Fall herrlich, daß wir in wenigen Wochen in
dem Haus am hübschen, kleinen Silberteich wohnen werden.“
„Ja, und ihr sollt es auch alle gut
haben, wenn ich meinen Garten erst hab’!“ sagte Elke nun. „Ich stelle euch
immer frische Blumen ins Zimmer!“
„Wir wollen erst mal abwarten, ob für
uns auch welche übrigbleiben“, wandte Ulf mit einem Augenzwinkern ein.
„Wieso?“ fragte Elke, ärgerte sich
aber im gleichen Augenblick auch schon, daß sie diese Frage gestellt hatte,
denn sicher wollte Ulf darauf anspielen, daß sie ihm gegenüber neulich die
Absicht geäußert hatte, Doktor Falkner, dem Bergkameraden von damals in Tirol,
zu seinem Geburtstag Blumen zu schicken. Er hatte ihr zu ihrem Geburtstag im
vergangenen Jahr und auch zu Weihnachten wunderhübsche Tier- und Kinderphotos
geschickt, und da konnte sie ihm doch gern auch einmal etwas schicken, zum
Beispiel Blumen aus ihrem eigenen Garten! Aber es war dumm gewesen, daß sie von
ihrer Absicht gesprochen hatte.
„Wieso?“ wiederholte sie deshalb in
Ulfs Augenzwinkern hinein und tat ganz unschuldig. „Meinst du, weil ich schon
so vielen Blumen versprochen habe? Katje und anderen Kameradinnen, Tante
Liesbeth, Frau Seyderhelm — ja vor allem Frau Seyderhelm! Die soll ganze Arme
voll in ihre Wohnung bekommen!“
„Deine Freundschaft mit Frau
Weitere Kostenlose Bücher