Elkes Sommer im Sonnenhof
beiden und trug meistens eine
dicke Brille, weil sie so schwache Augen hatte. Und Lore, die älteste von den
vieren, war etwas über acht Jahre alt und die stillste von ihnen. Alle vier
waren Bergmannskinder und sehr klein für ihr Alter. Sie sahen blaß und mager
aus. Bevor sie auf den Sonnenhof gekommen waren, hatten sie einander nicht
gekannt, abgesehen natürlich von den Zwillingen.
Mit Theo und Fritz gab es in den beiden ersten
Tagen ein richtiges Theater. Sie wollten nämlich nicht ordentlich essen, sie
mochten alles nicht; sie mochten nur Kaffee und Brot! Das schönste Essen, das
ihnen vorgesetzt wurde, gefiel ihnen nicht. Milchsuppe, Gemüse, ein Stückchen
Fleisch — nein! Höchstens das Kompott, das darauf folgte, mochten sie; an den
anderen Speisen stocherten sie herum, als wenn sie wer weiß was essen sollten.
Ja, wenn man ihnen Kaffee und Brot vorgesetzt hätte!
Elke wunderte sich über die Geduld, mit der
Tante Irmgard die beiden kleinen Jungen zu vernünftigem Essen zu bewegen suchte.
Sie selbst fand Theo und Fritz störrisch und ungezogen. Aber da sagte Tante
Irmgard:
„Nein, die Jungen trifft, glaube ich, keine
Schuld. Ihre Mutter ist wahrscheinlich zu träge, ihnen Mittagessen zu kochen.
So etwas kommt öfter vor, als man denkt. Morgens wird eine Kanne Kaffee
aufgebrüht, und die reicht dann für den ganzen Tag. Für den Hunger gibt’s Brot.
Das sind die Kinder so gewohnt geworden, daß sie es gar nicht mehr anders haben
wollen. Es ist traurig!“
Ja, auch Elke fand, daß es traurig war, und sie
war von nun an doppelt fürsorglich zu Theo und Fritz. Sie wurde sogar
erfinderisch.
„Ritteressen mögt ihr doch wohl?“ sagte sie.
„Ritteressen?“ fragten die Zwillinge
gleichzeitig und sehr erstaunt.
„Ja, wir sollen jetzt immer Ritteressen kriegen.
Wir haben euch doch die Ritterburg gezeigt. Morgen fangen wir an Ritter zu
spielen, und dann kriegt ihr jeder ein Ritterwams und so was. Aber das
Ritteressen müßt ihr dann auch essen.“
„Richtiges Ritteressen?“ fragte Theo etwas
mißtrauisch.
„Klar! Du wirst schon sehen, daß es ganz
richtiges ist!“
Woran er das sehen sollte, hätte Elke zwar nicht
sagen können, aber Theo fragte glücklicherweise nicht weiter.
Als acht Tage um waren, hatten Theo und Fritz
ihre Vorliebe für Kaffee und Brot vollständig verloren. Das, was die alten
deutschen Ritter schon gegessen hatten, schmeckte ihnen so gut, daß die Küche
des Sonnenhofs nun schnell Gnade vor ihren Augen fand.
Im übrigen waren Theo und Fritz liebe, gute
Jungen, ein bißchen wild zwar, nachdem sie erst aufgetaut waren, aber das war
Elke nur recht. Es kam ordentlich „Leben in die Bude“, fand sie.
Die kleine Hanna mit ihrer dicken Brille schloß
sich vor allem Katje an, und da waren die beiden richtigen Blumen- und
Tierfreundinnen zusammengekommen. In den ersten Tagen pflückte Hanna überhaupt
nur Blumen, ganze Arme voll, und Katje schleppte alle möglichen Gefäße herbei,
damit die Blumen nachher ins Wasser gestellt wurden, denn sie duldete nicht,
daß das in der Begeisterung Gepflückte dann achtlos liegengelassen wurde und
vertrocknete.
Als Hanna einmal ihre Brille zu Hause hatte
liegenlassen, mußte Katje die Blumen pflücken, und Hanna hielt sie sich dann
ganz dicht vor die Augen, tastete über sie hin und roch an ihnen. Auch die
duft-losesten Blumen hatten für sie einen Duft. Die einen rochen so schön nach
Wiese, die anderen nach Sonne, die dritten nach Tau, die vierten nach Sommer.
Manchmal mußte Katje auch die Blumen ganz genau beschreiben, denn Hanna sah
anscheinend sogar mit ihrer Brille nicht allzuviel; und Katje tat das mit großer
Liebe und Ausführlichkeit.
Und nun erst die Tiere! Gleich am ersten Tag
ging Katje mit Hanna zu all ihren vierbeinigen Bekannten, zu den Ferkeln,
Ziegen, Schafen, Kaninchen und vor allem natürlich zur rotweißen Kuh Ische.
Auch Hanna war begeistert von Ische. Katje und
sie saßen oft nebeneinander im Gras neben dem behaglich wiederkäuenden,
gutmütigen Tier; Hanna etwas mehr in seiner Nähe, damit sie nur den Arm
auszustrecken brauchte, um zu fühlen, wie warm und weich Ische war. Sie fühlte
so gern alles an! —
Lore war und blieb die stillste von den vier
neuen Gästen im Sonnenhof. Sie schloß sich eng an Elke an und folgte ihr wie
ein Schatten. Als sie Ritterfräulein werden sollte, schüttelte sie den Kopf.
Nein, sie wollte Elkes Magd werden. Sie wollte nur immer tun, was Elke sagte.
Niemand verstand das, auch
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