Elkes Sommer im Sonnenhof
das gefundene Hufeisen, vierblättrige
Kleeblätter, und was es sonst noch alles gibt, angeblich bescheren. Meinst du
das nicht auch?“
Elke nickte zustimmend. Ach ja, da hatte Onkel
Bernhard eigentlich recht.
Alle freuten sich, daß die betrübliche Geschichte
von der verlorenen Glückslocke nun aus der Welt war, ganz besonders Achim, den
es in seinem Herzen doch recht bedrückt hatte, daß er so unachtsam mit Elkes
Schatz umgegangen war. Er hatte bei sich sogar schon eine Buße beschlossen: er
wollte Elke zum Abschied seine Armbanduhr schenken, die Elke so gut gefiel; sie
war auch wirklich viel hübscher als ihre eigene. Er hatte seinen Vater schon
gefragt, ob er das dürfe, und der Vater hatte geantwortet, gewiß dürfe er das.
Elke sei eine feine Kameradin gewesen, und in alten Zeiten sei es stets Sitte
gewesen, daß der Gast beim Abschied ein schönes Gastgeschenk mitbekommen habe.
Um ihn besonders zu ehren, habe der Gastgeber sich dabei oft von Dingen
getrennt, die ihm lieb und wert waren.
Herr Wendel hatte sich gefreut über die Frage
seines Sohnes. Noch vor einem halben Jahr wäre Achim nicht bereit gewesen,
selbst ein Opfer zu bringen, um jemand eine Freude zu machen.
Aber nun hatte Elkes Onkel gesagt, daß man
rundherum um Alis Schnauze noch beliebig viele Glückslocken zum Ersatz für die
verlorene abschneiden könnte. Der eigentliche Grund für Achims Geschenk,
nämlich den Verlust der Locke wiedergutzumachen, war damit hinfällig geworden.
Würde sich der Junge trotzdem Elke zuliebe von seiner schönen Uhr trennen?
Vater Wendel war voller Erwartung, wie sein Sohn
sich verhalten würde. Ob Achim durch das Zusammenleben mit Elke wirklich ein
anderer geworden war?
Onkel Bernhard war noch nicht nach Stuttgart
weitergereist, sondern malte für Achims Eltern ein Bild von der herrlichen
alten Eichenallee ihres Dorfes. Wenn er nicht vor der Staffelei stand, wanderte
er mit den Kindern durch die herbstlich bunt gewordene Umgebung des
Sonnenhofes.
Besonders Elke begleitete ihn auf diesen Wegen
gern. So wie sie zuerst umhergelaufen war, um alles kennenzulernen, so tat sie
es jetzt, um Abschied zu nehmen von den Wiesen, Hecken, Bäumen und Blumenwegen,
die ihr lieb und vertraut geworden waren. Und von allen Tieren verabschiedete
sie sich mit Katje nicht nur einmal, sondern zwei- und dreimal.
Da waren die Reitpferde, denen sie Leckerbissen
in den Stall brachten, die Kühe, Katjes besondere Lieblinge, die Ente Thusnelda
mit ihrer Familie in der Entenvilla. Nicht zu vergessen die Wasserpferde, die
schon beinahe so etwas wie lebendige Wesen waren und auf denen die Mädchen
unbedingt noch ein letztes Mal reiten mußten.
Auch bei Pächter Bröse, Gärtner Kleebahn,
Kutscher Heinrich und der Köchin Lisbeth machten sie Abschiedsbesuche.
Endlich war der letzte Abend im Sonnenhof herangekommen.
Onkel Bernhard war vor zwei Tagen nach Stuttgart
abgefahren. „Das ist also abgemacht: in zwei Jahren reisen wir zusammen in die
Alpen!“ war sein Abschiedswort für Elke gewesen. Elkes Bruder Ulf wurde für den
nächsten Vormittag mit dem Auto aus Hamburg erwartet. Er sollte die Kinder mit
Sack und Pack und Ali nach Hause bringen.
Achim hatte sich für diesen Abschiedsabend etwas
Besonderes ausgedacht. Er hatte zusammen mit Heinrich drüben auf der
sogenannten Krähenwiese, die zum Sonnenhof gehörte, heimlich einen Reisighaufen
aufgeschichtet, und der wurde nun Elke und Katje zu Ehren angebrannt.
Elke war begeistert von den hellen Flammen. Gelb
und rot schlugen sie hoch hinauf in die stille dunkelblaue Luft, und alle, die
um das Feuer herumstanden, Onkel Hannes, Tante Irmgard, Emilie, Max, Emilies
Großeltern und alle, die auf dem Sonnenhof lebten und arbeiteten, hatten
leuchtende Gesichter.
„Das ist wirklich ein großartiges Feuer, das du
da gemacht hast!“ sagte Elke anerkennend zu Achim.
„Ganz allein dir zu Ehren!“ antwortete der Junge
leise.
Dann drückte er Elke ein winziges weißes
Päckchen in die Hand. „Schenk’ ich dir!“ sagte er und verschwand blitzschnell
in der Dunkelheit.
Elke sah erstaunt auf das, was Achim ihr so
eilig in die Hand gelegt hatte. Da trat Onkel Hannes näher. „Sieh mal! Achim
hat mir etwas geschenkt!“ sagte sie und zeigte ihm das viereckige Päckchen, das
sich hart anfühlte.
Onkel Hannes sah sofort, daß es Achims Uhr
enthielt, und er freute sich sehr darüber. Versonnen blickte er ins Feuer. Dann
legte er den Arm um Elkes schmale Schultern.
So standen sie beide
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