Emil und die Detektive
wenn du allein mit ihm im Zug gesessen haben willst, hast du doch keinen einzigen Zeugen«, bemerkte einer der Angestellten. Und Emils Kameraden machten betroffene Gesichter. »Doch!« rief Emil, »doch! Ich hab doch einen Zeugen! Er heißt Frau Jakob aus Groß-Grünau. Sie saß erst mit im Coupé. Und stieg später aus. Und sie trug mir auf, Herrn Kurzhals in Neustadt herzlich von ihr zu grüßen!«
»Es scheint, Sie werden ein Alibi erbringen müssen«, sagte der Depositenkassenvorsteher zu dem Dieb.
»Können Sie das?«
»Selbstverständlich«, erklärte der. »Ich wohne drüben im Hotel Kreid...«
»Aber erst seit gestern abend«, rief Gustav. »Ich hab mich dort als Liftboy eingeschlichen und weiß Bescheid, Mensch!« Die Bankbeamten lächelten ein wenig und gewannen an den Jungen Interesse.
»Wir werden das Geld am besten vorläufig hierbehalten, Herr...« sagte der Vorsteher und riß sich von einem Block einen Zettel ab, um Namen und Adresse zu notieren.
»Grundeis heißt er!« rief Emil.
Der Mann im steifen Hut lachte laut und sagte: »Da sehen Sie, daß es sich um eine Verwechslung handeln muß. Ich heiße Müller.«
»Oh, wie gemein er lügt! Mir hat er im Zug erzählt, daß er Grundeis heißt«, schrie Emil wütend.
»Haben Sie Ausweispapiere?« fragte der Kassierer. »Leider nicht bei mir«, sagte der Dieb. »Aber wenn Sie einen Augenblick warten wollen, so hole ich sie aus dem Hotel herüber.«
»Der Kerl lügt fortwährend! Und es ist mein Geld. Und ich muß es wiederhaben«, rief Emil.
»Ja, sogar wenn's wahr wäre, mein Junge«, erklärte der Kassierer, »so einfach geht das nicht! Wie kannst du denn beweisen, daß es dein Geld ist? Steht vielleicht dein Name drauf? Oder hast du dir etwa die Nummern gemerkt?«
»Natürlich nicht«, sagte Emil. »Denkt man denn, daß man beklaut wird? Aber es ist trotzdem mein Geld, hören Sie? Und meine Mutter hat es mir für die Großmutter, die hier in der Schumannstraße 15 wohnt, mitgegeben.«
»War an einem der Scheine eine Ecke abgerissen oder war sonst etwas nicht in Ordnung?«
»Nein, ich weiß nicht.«
»Also, meine Herren, ich erkläre Ihnen, auf Ehrenwort: das Geld gehört wirklich mir. Ich werde doch nicht kleine Kinder ausrauben!« behauptete der Dieb.
»Halt!« schrie Emil plötzlich und sprang in die Luft, so leicht war ihm mit einem Male geworden. »Halt! Ich habe mir im Zug das Geld mit einer Stecknadel ins Jackett gesteckt. Und deshalb müssen Nadelstiche in den drei Scheinen zu sehen sein!« Der Kassierer hielt das Geld gegen das Licht. Den anderen stockte der Atem.
Der Dieb trat einen Schritt zurück. Der Bankvorsteher trommelte nervös auf dem Tisch herum.
»Der Junge hat recht«, schrie der Kassierer, blaß vor Erregung. »In den Scheinen sind tatsächlich Nadelstiche!«
»Und hier ist auch die Nadel dazu«, sagte Emil und legte die Stecknadel stolz auf den Tisch. »Gestochen hab ich mich auch.« Da drehte sich der Dieb blitzschnell um, stieß die Jungen links und rechts zur Seite, daß sie hinfielen, rannte durch den Raum, riß die Tür auf und war weg. »Ihm nach!« schrie der Bankvorsteher.
Alles lief nach der Tür.
Als man auf die Straße kam, war der Dieb schon von mindestens zwanzig Jungen umklammert. Sie hielten ihn an den Beinen. Sie hingen an seinen Armen. Sie zerrten an seinem Jackett. Er ruderte wie verrückt. Aber die Jungen ließen nicht locker.
Und dann kam auch schon ein Schupo im Dauerlauf daher, den Pony Hütchen mit ihrem kleinen Rade geholt hatte. Und der Bankvorsteher forderte ihn ernst auf, den Mann, der sowohl Grundeis wie auch Müller hieße, festzunehmen. Denn er sei, wahrscheinlich, ein Eisenbahndieb.
Der Schutzmann, der Bankbeamte, der Dieb in der Mitte, und hinterher neunzig bis hundert Kinder!
Der Kassierer nahm sich Urlaub, holte das Geld und die Stecknadel und ging mit. Na, es war ein toller Aufzug! Der Schutzmann, der Bankbeamte, der Dieb in der Mitte, und hinterher neunzig bis hundert Kinder! So zogen sie zur Wache.
Pony Hütchen fuhr auf ihrem kleinen vernickelten Fahrrade nebenher, nickte dem glücklichen Vetter Emil zu und rief: »Emil, mein Junge! Ich fahre rasch nach Hause und erzähle dort das ganze Theater.« Der Junge nickte zurück und sagte: »Zum Mittagessen bin ich zu Hause! Grüße schön!« Pony Hütchen rief noch: »Wißt ihr, wie ihr ausseht? Wie ein großer Schulausflug!« Dann bog sie, heftig klingelnd, um die Ecke.
Fünfzehntes Kapitel -
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