Ende (German Edition)
will etwas sagen, aber ihr Mund zittert zu sehr, weil sie mit den Tränen kämpft. Schließlich sagt sie mit brüchiger Stimme: «Das mache ich doch nur, um dir zu helfen. Ich möchte, dass es dir gutgeht. Und es geht dir nicht gut, das sieht man. Du bist nicht glücklich.»
«Wer ist schon glücklich? Sag! Wer ist mit fünfundvierzig noch glücklich? Jeden Tag aufstehen, jeden Tag schuften. Das Leben ist eine Hamsterrad, mein Schatz, und kein Wellnessclub.»
«Man kann sein Leben ändern.»
«Ach, ja? Bist du wirklich dazu bereit? Bist du bereit, auf das hier zu verzichten? Na schön, verkaufen wir das Haus, dann sind wir die Hypothek los. Das bisschen Geld, das übrig bleibt, reicht bestimmt für die Mietkaution. Wir ziehen in eines dieser Multikultiviertel, wo illegale Einwanderer zu zehnt in einem Zimmer hausen. Super! Entweder das, oder du verdienst die dreitausend Euro, die wir jeden Monat verpulvern.»
«Jetzt übertreib nicht», antwortet Cova. «Warum musst du immer so extrem sein? Wir müssen doch nicht alles auf einen Schlag ändern. Ich weiß auch, dass das nicht geht.»
«Endlich wirst du vernünftig.»
«Hör mir zu. Und versteck dich nicht hinter deinem Sarkasmus. Du könntest zum Beispiel weniger arbeiten. Du schuftest rund um die Uhr, da ist es kein Wunder, dass du immer völlig fertig bist. Ich frage mich, ob das wirklich nötig ist.»
«Ich bin Vertreter, kein Bankangestellter, Schätzchen. Wenn ich nicht arbeite, kommt keine Kohle rein.»
«Trotzdem, wenn du weniger arbeiten würdest, hättest du mehr Zeit für dich selbst, für die Sachen, die dir wirklich Spaß machen.»
Hugo wendet sich ab, sieht zur Hausbar und schnaubt missmutig wie ein Schüler, dem man eine Standpauke hält.
«Wenn du zwei Stunden früher Schluss machen würdest», fährt Cova fort.
«Gleich zwei Stunden?»
«Hör zu, hör mir bitte einmal zu! Wenn du ein bisschen früher Feierabend machen würdest, von mir aus auch nur anderthalb Stunden früher, könntest du den Theaterkurs im La Casona belegen, bei dem Russen, der ist eine echte Koryphäe. Die müssten dich nur einmal sehen, dann wärst du drin. Schließlich brauchen sie ältere Schauspieler, ich meine, Schauspieler, die nicht zu jung sind. Dann könntest du endlich wieder auftreten.»
«Mit Amateuren aus dem Dorf, na toll!»
«Dieses Dorf hat immerhin dreißigtausend Einwohner, aber bitte, nenn es, wie du willst. Für eine Hollywoodkarriere ist es vielleicht zu spät, aber das heißt ja nicht, dass es keinen Spaß macht. Du bist ein geborener Schauspieler, und Schauspieler müssen auftreten, Schauspieler brauchen ein Publikum.»
«Ich weiß nicht, ob ich wirklich ein Schauspieler bin.»
«Natürlich bist du das, das sagen alle. Man muss dich nur mal in einer geselligen Runde erleben, wenn du ein bisschen aufdrehst. Ich weiß nicht, warum du dein Talent so verschwendest.»
«Und das mit der Provinzbühne ist keine Verschwendung?»
«Nein, ist es nicht! Da hättest du die Chance, es allen zu beweisen. Nicht nur deiner Frau und einer Handvoll Freunden.»
Einige Sekunden lang schweigt Hugo gereizt, aber auch nachdenklich. Cova nutzt die Stille, um nachzulegen.
«Dann wärst du auch besser gelaunt. Und ich könnte, also, ich könnte ja auch an diesem Kurs teilnehmen. Natürlich nur, wenn du nichts dagegen hast.» Als sie bemerkt, wie unwillig Hugo reagiert, fügt sie schnell hinzu: «Das wäre doch nicht schlecht. Dann hätten wir was, worüber wir reden könnten. Macht doch Spaß, sich hinterher darüber auszutauschen, wie der Unterricht war, was alles passiert ist.»
Zum Ende des Satzes hin ist Cova immer kleinlauter geworden, unsicherer, zögerlicher. Ihre Augen sind wieder feucht, ein Kloß hat sich in ihrem Hals gebildet, sie droht erneut in Tränen auszubrechen. Mit dünner Stimme führt sie ihren Gedanken zu Ende: «Vielleicht wärst du dann ein bisschen zärtlicher zu mir, und wir wären wieder ein echtes …»
«Paar? Wolltest du das sagen?»
«Wie kannst du nur so herzlos sein?», empört sich Cova. Die Wut verleiht ihrer Stimme Kraft. «Du wirst es mir nie verzeihen, stimmt’s?»
«Schluss jetzt! Ich kann nicht mehr!», schreit Hugo plötzlich und hält sich mit beiden Händen die Ohren zu. Wie ferngelenkt eilt er zur Hausbar, schenkt sich einen Whisky ein und setzt das breite, robuste, mit der bernsteinfarbenen Flüssigkeit halb gefüllte Glas an die Lippen.
Cova betrachtet Hugo einen Moment lang stumm und schüttelt dann den Kopf.
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