Endlich bei dir in Virgin River (German Edition)
den Küchentisch. Sie sah leicht verwirrt aus. Sie kannte Sean jetzt seit einem Jahr, er war der lustige Bruder ihres Mannes. Stets für einen Flirt und einen Scherz zu haben. Sie witzelten immer, dass Sean vermutlich sogar einem Zugunglück noch etwas Lustiges abgewinnen konnte – er war einfach ständig gut gelaunt. Luke dagegen war immer eher ein Brummbär gewesen, auch wenn sich das durch Shelby wesentlich geändert hatte. Daher wunderte sie sich nun über Seans Schroffheit. „Alles in Ordnung?“, erkundigte sie sich.
„Bestens“, gab er einsilbig zurück.
Luke goss sich einen Kaffee ein und gesellte sich zu ihnen. „Unfall mit Blechschaden? Oder bist du geblitzt worden? Hat eine schöne Frau dich abgewiesen? Lebensmittelvergiftung?“
Sean lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. „Ich bin gestern Abend zufällig Franci begegnet“, verkündete er.
Kaum merklich runzelte Luke die Stirn. Er konnte sich nicht an sie erinnern. Sean hatte ziemlich viele Freundinnen gehabt.
„Franci
Duncan“
, stieß Sean der Verzweiflung nahe aus. „Mit der ich vor ein paar Jahren quasi zusammengelebt habe. Weißt du nicht mehr? Wir haben uns getrennt, als sie die Air Force verließ und ich auf der U-2 ausgebildet worden bin.“
„Ach ja, jetzt erinnere ich mich“, sagte Luke. „Hast du sie denn seitdem nicht mehr gesehen?“
„Nein“, antwortete Sean ungeduldig und schob sich einen Löffel Cornflakes in den Mund. „Ich habe versucht, sie zu finden, aber sie war weg. Ich habe probiert, über ihre Mutter herauszubekommen, wo sie steckt, doch ihre Mutter war umgezogen. Was mir seltsam erschien, denn sie wohnte mindestens zehn Jahre in diesem Haus in Santa Rosa. Vielleicht sogar zwanzig, was weiß ich.“
„Du hast nach ihr gesucht?“, fragte Luke erstaunt. „Das höre ich aber zum ersten Mal.“
„Weil ich es nie erzählt habe. Und weil ich sie nicht gefunden habe“, sagte Sean. „Wie man sieht.“
„Und was war mit ihren Freundinnen?“, wollte Shelby wissen. „Hast du es da auch probiert?“
Sean schwieg. Er zog eine Grimasse und antwortete schließlich: „Ich habe ein paar von ihnen mal gefragt, allerdings wussten die auch nichts.“
„Merkwürdig“, kommentierte Shelby. „Frauen geben ihre Freundinnen nicht einfach so auf. Erst recht nicht, wenn sie sich gerade von ihrem Freund getrennt haben – ich meine, das ist doch für jeden hart. Wie hieß denn ihre
beste
Freundin? Und ihre
andere
beste Freundin? Okay, es gibt auch Ausnahmen. Mich zum Beispiel. Ich habe mich um meine Mutter gekümmert und hatte nur sehr wenig Zeit für meine Freundinnen. Trotzdem blieb ich immer mit ihnen in Kontakt, wenn ich …“
Luke legte ihr eine Hand auf den Arm, denn Sean sah elend aus.
„Oh“, sagte sie leise. „Wen hättest du noch fragen können?“
Sean zuckte unbehaglich mit den Schultern. „Wir waren damals oft mit befreundeten Paaren unterwegs, Jungs aus meiner Einheit und ihre Freundinnen oder Ehefrauen. Zum Skifahren, zum Camping, Wandern, Segeln … Zwei Paare waren verheiratet, die anderen lebten so zusammen. Ich habe mich bei den Frauen nach Franci erkundigt. Keine von ihnen hatte etwas von ihr gehört. Ich habe sogar ihren ehemaligen Chef im Militärkrankenhaus gefragt, den Colonel aus ihrer Einheit. Und ihre Nachbarn.“
„Oh“, meinte Shelby wieder.
„Okay, sie hatte ein paar Freundinnen, die ich auch mal kurz kennengelernt habe, aber wir waren nie zusammen aus. Ich kannte nicht mal ihre Nachnamen. Außerdem war da alles ja schon eine Weile her.“
„Wie, eine Weile her?“, bohrte Shelby nach.
„Okay. Es war so: Franci und ich hatten einen Streit. Ich wurde versetzt, und sie wollte zur selben Zeit die Air Force verlassen. Und dann wollte sie von mir wissen … Ich wurde abkommandiert auf den Stützpunkt Beale. Also sagte ich ihr, sie könnte doch mit mir an meinen neuen Einsatzort gehen, und da rastete sie aus. Gut, ich hatte sie nicht direkt
eingeladen
, mit mir zu kommen. Ich machte keine Pläne mit ihr, bezog sie in meine Lebensplanung nicht mit ein. Wahrscheinlich habe ich mich aber dafür sogar entschuldigt. Davon gehe ich jedenfalls aus.“
„Und deswegen habt ihr euch getrennt?“, hakte Shelby nach.
„Ja und nein. Nicht wirklich“, meinte Sean.
Luke stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Hände an das Kinn. Amüsiert schaute er seinen Bruder an. Und war froh, dass diesmal ein anderer Riordan von Shelby in die Zange genommen wurde.
Sean holte tief Luft.
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