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Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still

Titel: Oben ist es still - Bakker, G: Oben ist es still Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerbrand Bakker
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1
    Ich habe Vater nach oben geschafft. Nachdem ich ihn auf einen Stuhl gesetzt hatte, habe ich das Bett zerlegt. Wie er auf dem Stuhl saß, erinnerte er an ein wenige Minuten altes Kalb, noch bevor es saubergeleckt ist; mit unkontrolliert wackelndem Kopf und einem Blick, der nichts festhält. Ich habe die Wolldecken, Bettücher und die Moltondecke von der Matratze gezerrt, die Matratze und die Bodenbretter hochkant an die Wand gelehnt und Kopf- und Fußteil von den Seitenteilen abgeschraubt. Dabei versuchte ich möglichst durch den Mund zu atmen. Das Zimmer oben – mein Zimmer – hatte ich schon leergeräumt.
    »Was machst du?« fragte er.
    »Du ziehst um«, sagte ich.
    »Ich will hierbleiben.«
    »Nein.«
    Er durfte sein Bett behalten. Die eine Hälfte ist schon seit über zehn Jahren kalt, aber immer noch krönt ein Kissen den unbeschlafenen Teil. Im Zimmer oben schraubte ich das Bett wieder zusammen, mit dem Fußende zum Fenster hin. Unter den Beinen brachte ich Klötze an. Ich bezog das Bett mit sauberen Laken und Decken und steckte beide Kissen in frische Bezüge. Dann trug ich Vater die Treppe hinauf. Als ich ihn vom Stuhl hob, sah er auf und schaute mich dann ununterbrochen an, bis ich ihn ins Bett legte, wobei unsere Gesichter sich fast berührten.
    »Ich kann selbst gehen«, sagte er, erst dann.
    »Nein, das kannst du nicht«, sagte ich.
    Durchs Fenster sah er Dinge, die er nicht zu sehen erwartete. »Ich liege hoch«, stellte er fest.
    »Ja. So siehst du draußen mehr als bloß den Himmel.«
    Auch in dem neuen Raum roch es muffig, roch er muffig und schimmelig, trotz der frischen Bettwäsche. Ich stieß einen der beiden Fensterflügel auf und hakte ihn fest. Draußen war es eisig frisch und windstill, nur an den höchsten Zweigen der krummen Esche im Vorgarten hingen noch ein paar verschrumpelte Blätter. In großer Entfernung sah ich drei Radfahrer auf dem Deich. Wenn ich einen Schritt zur Seite gegangen wäre, hätte er die drei Radfahrer auch sehen können. Ich rührte mich nicht von der Stelle.
    »Ruf den Arzt«, sagte Vater.
    »Nein«, antwortete ich. Ich drehte mich um und ging aus dem Zimmer.
    Kurz bevor die Tür zufiel, rief er: »Schafe!«

    In seinem ehemaligen Schlafzimmer lag ein Rechteck Staub auf dem Boden, etwas kleiner als die Abmessungen des Betts. Ich räumte das Zimmer aus. Die beiden Stühle, die Nachttische und Mutters Frisiertisch stellte ich ins Wohnzimmer. In einer Ecke des Schlafzimmers würgte ich zwei Finger unter den Teppichboden. »Nicht festkleben«, hörte ich Mutter sagen, vor einer Ewigkeit, als Vater sich gerade hinknien wollte, einen Topf Leim in der linken und einen Leimpinsel in der rechten Hand, und wir fast schon etwas benommen waren von den scharfen Ausdünstungen. »Nicht festkleben, in zehn Jahren möchte ich neue Teppichböden.« Die Rückseite des Teppichs zerbröselte unter meinen Fingern. Ich rollte ihn auf und trug ihn durch die Milchkammer ins Freie. Mitten auf dem Hof wußte ich plötzlich nicht mehr, wohin damit. Ich ließ ihn fallen, wo ich gerade stand. Ein paar Dohlen erschraken bei dem unerwartet lauten Knall und flogen aus den Bäumen auf, die den Hof begrenzen.Auf dem Boden des Schlafzimmers liegen Hartfaserplatten, mit der rauhen Seite nach oben. Ich ging schnell mit dem Staubsauger durchs Zimmer, nahm einen breiten, eckigen Pinsel und strich die Platten, ohne sie vorher abgeschmirgelt zu haben, mit grauer Grundfarbe. Als ich bei der letzten Bahn war, vor der Tür, sah ich die Schafe.

    Jetzt sitze ich in der Küche und warte darauf, daß die Farbe trocknet. Erst wenn sie trocken ist, kann ich das düstere Gemälde von der Wand nehmen, das eine Gruppe von schwarzen Schafen zeigt. Er will seine Schafe anschauen können, also werde ich einen Nagel in die Wand neben dem Fenster schlagen und das Bild aufhängen. Die Küchentür und die Zimmertüren stehen offen, ich kann das Bild von meinem Platz aus über den Frisiertisch und die beiden Nachttische hinweg sehen, aber es ist so dunkel und matt, daß ich keine Schafe darauf erkennen kann, so lange ich es auch anstarre.
2
    Es regnet, und der starke Wind hat die letzten Blätter von der Esche geweht. Der November ist nicht mehr eisig frisch und windstill. Das Elternschlafzimmer ist jetzt mein Schlafzimmer. Ich habe die Wände und die Decke weiß gestrichen und den Hartfaserplatten eine zweite Schicht Grundfarbe verpaßt. Die Stühle, Mutters Frisiertisch und die beiden Nachttische habe ich nach oben

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