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Der Duft des Meeres

Der Duft des Meeres

Titel: Der Duft des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angie Frazier
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Kapitel 1
    S AN F RANCISCO , 1855

    Mit einem Klicken ließ Camille die Schlösser ihres Schrankkoffers zuschnappen und schaute aus dem Fenster. Erdrückender weißer Nebel lag über der Bucht und dem Seehafen. Die Nebelglocken fanden ein seltsames Echo in ihrer klammen Brust. Das passende Wetter zum Ende ihrer Freiheit.
    Sie strich mit den Händen über den glänzenden Rotholzdeckel des Koffers und legte die Hand um den Griff. Camille segelte mit ihrem Vater, seit sie gelernt hatte, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und sie wusste, wie wichtig es war, mit leichtem Gepäck zu reisen. Mühelos zog sie den Koffer aus ihrem Zimmer und durch den Flur bis zum Treppenhaus – den wohl letzten Koffer, den sie jemals für eine Seereise mit ihrem Vater gepackt hatte.
    Die Standuhr in der Halle schlug fünf und erfüllte mit ihrem vollen Klang das ganze Stadthaus. Camille beeilte sich, achtete aber dennoch darauf, mit dem Koffer nicht am Pfosten des Treppengeländers entlangzuschrammen. Schließlich ließ sie den Koffer an der Vordertür stehen, machte kehrt und rannte in den hinteren Teil des Hauses, in die Küche. Die rußgeschwärzte Feuerstelle war kalt, die ordentlichen Arbeitsflächen warteten darauf, dass der Morgen mit Frühstück und Tee begann. Sie wachte gern vor allen anderen auf. Die Vorstellung, dass sie etwas Unschickliches zu tun im Begriff stand, erfüllte sie mit unleugbarer Erregung.
    Ihr Herz flatterte leicht, als ein Schatten über das Buntglasfenster der Küchentür glitt. Camille nahm ihren Samtumhang vom Haken und einen geflochtenen Korb vom Regal. Ihr Begleiter hatte seit über einem Monat keinen Samstagmorgen versäumt. Und jetzt, selbst am Morgen ihrer Abreise, war er gekommen, um ihre Gesellschaft zu suchen. Sie öffnete die Tür, und Randall Jackson nahm schwungvoll seine Melone ab. Er fuhr sich mit den Fingern durch sein wirres, glänzend braunes Haar.
    »Du hast es nicht vergessen«, sagte er, während sein Blick zu den Fenstern im ersten Stock wanderte.
    Camille trat nach draußen, schloss die Tür und überzeugte sich davon, dass die dunkelroten Damastvorhänge vor den Fenstern des Zimmers ihres Vaters zugezogen waren.
    »Wer würde dich über den Markt führen, wenn ich es vergäße?«, fragte sie. Camille hüllte sich zum Schutz gegen die dem Sonnenaufgang vorangehende Kälte in ihren Umhang und zog die Kapuze über ihre schwarzen Locken, die im Nacken zu einem losen Knoten gebunden waren.
    Randall bot ihr seinen Arm an. Camille streifte ihre elfenbeinfarbenen Wildlederhandschuhe über und legte die Hand in seine Armbeuge.
    »Wenn ich mich recht erinnere, waren unsere geheimen Treffen auf dem Markt mein Vorschlag«, sagte er, während sie durch den hinteren Innenhof eilten, vorbei am Kutscherhaus, und dann abbogen, um die Gasse zur Portsmouth Plaza hinaufzugehen.
    Sie kamen in den dicken weißen Nebel, den die Hafenstadt so gut kannte, so undurchdringlich, dass Camille nur hören konnte, wie Karren und Verkaufsstände auf den Platz geschoben und aufgebaut wurden.
    »Ich liebe Geheimnisse«, erklärte sie, obwohl sie wusste, dass sie wirklich eine Anstandsdame hätte mitnehmen sollen. Das Risiko war jedoch gering. Niemand aus der Gesellschaft, um die ihr Vater oder Randall sich scherten, würde zu dieser Stunde draußen sein, und gewiss nicht auf dem Markt. »Wer hätte gedacht, dass der Kauf von Obst und Gemüse so abenteuerlich sein könnte?«
    Randall lachte herzlich, als die Verkaufsstände in Sicht kamen. »Ich glaube, ich habe einen schlechten Einfluss auf dich, Camille. Ich sollte aufpassen, dass ich bei deinem Vater nicht in Ungnade falle. Ich möchte nicht, dass William seine Zustimmung zurückzieht.«
    Randall blieb vor einer Kiste stehen, in der sich glänzende rote Weintrauben türmten. Er griff nach einem schweren Stiel mit Trauben und legte sie in ihren Korb.
    »Ein Leckerbissen für meine zukünftige Braut.« Ein Grinsen formte seine Augen zu Halbmonden. »Mir ist aufgefallen, dass es dein Lieblingsobst ist.«
    Als er dem Traubenverkäufer einige Münzen in die Hand drückte, erfüllte sie die Makellosigkeit seines Gesichtes mit Ehrfurcht – seine milchig weiße Haut, das breite Lächeln, Kinn und Nase wie gemeißelt. Randall bot wahrlich einen prächtigen Anblick. Ihr zukünftiger Ehemann.
    Sein Werben hatte sich im Laufe der beiden letzten Monate in einem berauschenden Tempo entwickelt. Ihr Vater hatte Wert darauf gelegt, Gerüchten zuvorzukommen, die gewiss an Camilles

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