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Endstation Venedig

Endstation Venedig

Titel: Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shaya
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natürlich , sagte Brunetti und streckte die Hand aus.
    Ich
    möchte Sie nicht länger von Ihrer Arbeit abhalten, Sergeant.
    Der Amerikaner stand auf, um Brunetti die Hand zu schütteln.
    Sein Händedruck war fest und selbstbewußt.
    Ich freue mich, daß
    ich Ihnen behilflich sein konnte, Sir. Sollten Sie noch mehr Fragen haben, dürfen Sie gern wiederkommen.

    Vielen Dank, Sergeant. Es könnte durchaus sein. Auf dem Korridor draußen suchte Brunetti sich seinen Weg zurück zum Gesundheitsdienst und klopfte an die Tür. Er wartete ein paar Sekunden, und als er nichts hörte, ging er hinein. Wie er erwartet hatte, waren Blaue Moschee und Kolosseum noch da. Die Pyramiden waren verschwunden.

    11
    Draußen auf dem Flur fragte er eine dunkelhäutige junge Frau in Schwesterntracht, die gerade vorbeiging, wo er Dr. Peters finden könne. Sie meinte, sie sei gerade auf dem Weg zu Station B, wo Dr. Peters arbeite, und würde ihn hinbringen. Diesmal gingen sie in die entgegengesetzte Richtung, durch andere Doppeltüren, aber hier waren die Leute, die ihnen entgegenkamen, weiß gekleidet, oder sie trugen hellgrüne OP-Anzüge, nicht das dunklere Grün der Militäruniformen. Sie kamen an einem Raum mit dem Schild
    >Aufwachzimmer< vorbei, dann hörte er von rechts Babygeschrei.
    Er warf der Schwester neben sich einen Blick zu, sie lächelte und nickte.
    Drei, alle diese Woche geboren.
    Brunetti konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Babies hier nicht geboren werden sollten, in einer militärischen Einrichtung, umgeben von Waffen, Uniformen und dem Geschäft des Tötens.
    Dann fiel ihm ein, daß er bis jetzt in dieser militärischen Einrichtung schon eine Bibliothek, eine Kapelle, ein Schwimmbad und eine Baskin-Robbins-Eisdiele gesehen hatte, also ergab es vielleicht doch einen Sinn, daß auch Babies hier geboren wurden. Im Grunde genommen hatte wenig von dem, was er gesehen hatte, irgend etwas mit dem Geschäft des Krieges oder des Tötens oder der Streitkräfte zu tun. Er fragte sich, ob den Amerikanern klar war, wohin ihr Geld floß. Erkannten sie die Verschwendungssucht, mit der es ausgegeben wurde? Weil er Italiener war, ging er davon aus, daß seine Regierung sich wirklich ernsthaft nur damit beschäftigte, Geld hinauszuwerfen, gewöhnlich in Richtung ihrer Freunde, aber es war ihm nie in den Sinn gekommen, daß die amerikanische Regierung denselben Ehrgeiz haben könnte.
    Hier ist Dr. Peters’ Sprechzimmer, Sir. Ich glaube, sie ist gerade bei einem Patienten, aber sie müßte bald zurück sein.
    Sie lächelte
    und ließ ihn stehen, ohne auch nur einmal gefragt zu haben, wer er war oder was er wollte.
    Drinnen sah es aus wie in jedem Arztzimmer, in dem Brunetti bisher gewesen war. Eine Wand wurde von dicken Büchern mit hochtrabenden Titeln eingenommen, und in einer Ecke stand eine Waage mit integriertem Längenmaß. Er trat auf die Waage und bewegte das Gewicht auf der horizontalen Skala hin und her, bis es bei 193 einrastete. Dann teilte er im Kopf durch 2,2 und seufzte beim Ergebnis. Knapp 88 Kilo. Danach maß er seine Größe, 5 Fuß, 10
    Zoll, aber diese Umrechnung hatte er ohne Papier und Bleistift nie geschafft. Allerdings ging er davon aus, daß seine Einsachtundsieb-zig ihm wohl kaum so leicht einen Streich spielen würden wie sein Gewicht.
    An der Wand hingen Poster: eines davon mit Fulvio Roiters üblichen Karnevalsfotos, eines mit den Mosaiken von San Vitale in Ra-venna und ein vergrößertes Foto mit Bergen, die aussahen wie die zackigen Zahnreihen der Dolomiten. Die Wand rechts davon war, wie Brunetti es schon in vielen Arztpraxen gesehen hatte, mit gerahm-ten Diplomen bestückt, als ob Ärzte fürchteten, man vertraue ihnen nicht, wenn die Wände nicht mit greifbaren Beweisen ihrer Ausbildung tapeziert waren. Emory University. Das sagte ihm nichts. Phi Beta Kappa. Dies ebensowenig. Summa Cum Laude. Das schon eher.
    Auf dem Tisch lag eine Zeitschrift. Family Practice Journal. Er nahm sie, setzte sich und blätterte darin herum, bis er zu einem Artikel kam, der mit Farbfotos illustriert war, die er für menschliche Füße hielt, aber es waren derart verstümmelte Füße, daß man sie kaum als solche erkennen konnte, Füße, bei denen die Zehen sich nach oben zum Spann hin bogen oder nach unten zu den Fußsohlen hin. Er betrachtete die Fotos ein Weilchen, und als er gerade anfangen wollte, den Artikel zu lesen, spürte er neben sich eine Bewegung und sah auf. Dr. Peters stand in der Tür. Wortlos nahm

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