Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
versuchte Blake zu sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Zu seiner Überraschung fing seine Mutter wieder an zu weinen.
»Und Dad?«, fragte er mit schwacher Stimme. »Wieso bist du .. .< Er wollte die Hand ausstrecken, aber sie rutschte kraftlos über den Bettrand.
»Ich war schon auf dem Weg hierher«, sagte Christopher Winters, nahm die Hand seines Sohnes und schob sie wieder unter die Decke. »Seit Tagen hatte ich versucht, euch anzurufen, aber immer vergeblich. Ich habe euch sehr vermisst«
Ein Gähnen unterbrach seine Worte.
»Außerdem habe ich von einem gewissen Jemand erfahren« — er tätschelte Duck den Kopf, und sie wand sich verlegen - »dass sich Prosper Marchand hier herumtreibt. Ich kann ja wohl nicht zulassen, dass er eurer Mutter schöne Augen macht, also fuhr ich Hals über Kopf zum Flugplatz, stieg gestern Nacht in den nächst besten Flieger und kam heute am frühen Nachmittag in Oxford an. Und als ich dann hier in dieses Chaos geraten bin, all das Geschrei und die Sirenen, da ahnte ich gleich, dass meine Kinder etwas damit zu tun haben müssen.«
Blake grinste, auch wenn er nicht alles verstand. »Du kennst Professor Marchand?«, sagte er schließlich.
Sein Vater straffte die Schultern und nickte. »Er und deine Mutter hatten mal was miteinander. Bevor ich, äh, die Sache komplizierte.«
Juliet Winters schüttelte den Kopf. »Wie kommst du nur darauf, dass ich ...«, fing sie an.
»Ich wollte eben sichergehen«, sagte er und legte ihr behutsam den Arm um die Schultern. »Ich habt mir gefehlt... alle drei.«
»Du hast mir auch gefehlt«, sagte Blake mit kraftlosem Lächeln. »Ich bin froh, dass du hier bist «
»Kommt jetzt, der Junge braucht seine Ruhe«, sagte eine Stimme auf der anderen Seite des Raumes.
Blake reckte den Hals und erkannte eine vertraute weißhaarige Gestalt in der Tür. Die kleine Bewegung ließ ein ganzes Feuerwerk in seinem Kopf explodieren, und er zuckte zusammen.
Blakes Eltern spürten, dass die beiden jetzt ungestört sein mussten, und erhoben sich. »Entschuldige uns«, sagten sie. »Wir gehen für einen Augenblick raus.«
»Schön, Sie wiederzusehen, Jolyon«, fügte Blakes Vater leise hinzu.
»Und Sie auch, mein Junge, und Sie auch«, murmelte der Professor.
Die Eltern zogen Duck mit sich fort.
»Ich weiß, was du sagen willst«, fing Jolyon an, als sie allein waren. Mit seinen forschenden blauen Augen sah Blake dem Mann ins Gesicht. »Auch ich wollte das Buch haben ... früher mal. Ich war genauso begierig wie Diana, es in die Hände zu bekommen.«
»Sie hat gesagt, Sie haben die Schließen aufgebrochen.«
Jolyon musterte eine Weile seinen Daumen. »Ja.«
Duck, die es geschafft hatte, sich wieder ins Zimmer zu stehlen schnappte nach Luft.
»Geh raus!«, rief Blake, aber seine Stimme war nicht mehr als ein heiseres Krächzen.
Jolyon mischte sich ein. »Nein, nein, deine Schwester hat auch ein Recht, es zu hören. Ich bin leider nicht ganz ehrlich zu euch gewesen.«
Leise kam Duck näher. »Was ist passiert?«, fragte sie neugierig.
»Ich war neidisch auf George Psalmanazar«, sagte der Professor »Er hat das Buch mit den leeren Seiten gefunden. Wir waren immer gute Freunde, aber dann habe ich alles verdorben, weil ich unbedingt darin lesen wollte. Weil ich seine Rätsel lösen wollte.«
»Genau wie ich«, nickte Duck.
Der alte Mann schien nicht zu hören. »Ja ... so beherrscht dieses Buch die Menschen. Es macht sie gierig nach Wissen unc Macht.«
»Ich habe versucht, es ihm zu stehlen«, fuhr er leise fort. »Eine Tat, die ich bis heute bereue. Das Buch muss gespürt haben, dass ich unwürdig war, denn es wies mich ab. George aber verschwand kurz darauf. Ich glaube, er blieb immer in der Nähe von Oxford, wahrscheinlich, um das Buch weiterhin im Auge zu behalten. Aber er hat seitdem mit keinem Menschen mehr ein Wort gesprochen. Das heißt - bis zu jenem Abend, als Sir Giles seinen Vortrag hielt. Damals tauchte er am College auf und sagte zu mir, der Schatten käme näher.«
Jolyon schwieg einen Augenblick. »Ich dachte, damit meinte er mich«, sagte er schuldbewusst, »aber ich habe mich geirrt.«
»Diana Bentley war noch viel besessener als Sie«, sagte Blake.
»Ja«, nickte der Professor und sah zu Boden. »Sie wollte das Letzte Buch unbedingt in ihren Besitz bringen. Das wollte sie mehr als irgendetwas anderes auf der Welt, danach sehnte sie sich mehr als nach irgendeinem Menschen. Mich hat sie verleitet, George hat sie
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