Engel der Schuld Roman
dunkellachsfarbene Wand geklebt.
Auf einem Stapel von Zeitungsausschnitten lag die Star Tribune mit einem Foto von Jay Butler Brooks, der finster in die Kamera sah. Die Schlagzeile war: »› Crime Boss ‹ kämpft um das Leben des Richters.« Ellen warf die Zeitung auf die Anrichte. Dahinter blies staubige, heiße Luft aus den Heizungsschächten direkt auf das alte Fenster, wo achtzig Prozent der Wärme durch das Glas entwichen.
»Dem Gesetz nach hatte Wright Anspruch auf eine sofortige Anhörung«, sagte sie. »Ich wette, sie teilen Richter Frankens Fälle zwischen Witt und Grabko auf und holen noch einen Richter dazu, der den Überschuß auffängt, bis der Gouverneur einen Nachfolger benannt hat.«
Rudy stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Wer ist denn jetzt wirklich Wrights Anwalt?«
Cameron hob ratlos die Schultern.
Ellen schüttelte den Kopf. »Ich sehe Dennis später. Vielleicht weiß er was, das wir nicht wissen.«
»Sie können drauf wetten, daß er etwas weiß, das wir nicht wissen«, sagte Cameron mit düsterer Miene. »Gerüchten zufolge hat er gestern nach der Kautionsverhandlung ein langes Gespräch mit seinem Klienten gehabt, und als er das Gefängnis verließ, sah er aus, als wäre ihm total übel.«
»Er hatte gerade einen Klienten verloren mitsamt der Chance auf einen Haufen Publicity«, sagte Rudy.
Cameron enthielt sich eines Kommentars, den Blick unverwandt auf Ellen gerichtet.
»Ich werde rausfinden, was ich kann«, sagte er. »Aber wieviel darf er mir sagen, ohne einen Treuebruch zu begehen?«
»Wieviel kann er für sich behalten, ohne den Anstand zu verlieren?«
»Lassen Sie mich wissen, was Sie rausfinden«, wies Rudy sie an. »Wo stehen wir, was die Munition für diese Anhörung angeht?«
»Wir haben die Aussagen von Mitch und von Megan O'Malley über ihre Entführung und das ganze Drama drum herum«, sagte Cameron. »Die Ergebnisse der DNS-Analyse des blutigen Lakens, in das Wright sie in jener Nacht gewickelt hat, wird noch nicht dasein, aber wir haben bereits die Blutgruppen – eine davon ist die Megan O'Malleys, und eine ist die gleiche wie die von Josh.«
»Was O'Malleys Situation angeht«, sagte Ellen, »wie Sie wissen, wurde Wright verhaftet, als er vom Tatort floh. Um Megan zu zitieren: Wir haben ihn todsicher.«
»Aber was ist mit dem Fall des Jungen? Bis jetzt haben wir nur ein Opfer, das nicht redet.«
»Wir haben Ruth Cooper, die Zeugin, die Wright bei der Gegenüberstellung identifiziert hat, als den Mann, den sie am Tag, als Joshs Jacke gefunden wurde, in Ryan's Bay gesehen hat«, sagte Cameron.
Rudy machte ein Geräusch in der Kehle, das von Unzufriedenheit oder zuviel Schleim in den Bronchien herrühren konnte.
»Ich war dabei. Die Typen trugen alle Parkas und Sonnenbrillen. Ein guter Anwalt zerlegt das wie ein Lego-Haus.«
»Die visuelle Identifizierung könnte gekippt werden«, gab Ellen zu, »aber wie Sie sicher wissen, hat Mrs. Cooper auch seine Stimme identifiziert. Beides zusammen kann man nicht so leicht abtun.«
»Außerdem haben wir Agent O'Malleys Aussage darüber, was Wright ihr im Hinblick auf Josh gebeichtet hat«, sagte Cameron.
»Er sagte, sie sagte«, nörgelte Rudy.
»Sie ist Polizeibeamtin.«
»Sie ist ein Opfer. Nicht gerade die objektive Zeugin.«
Ellen neigte den Kopf zur Seite. »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Ich glaube, da kommt ihr ihre mustergültige Laufbahn zugute.«
»Wright kennt die Familie Kirkwood«, fuhr Cameron fort. »Und er hat nur ein fadenscheiniges Alibi für den Zeitpunkt, zu dem Josh verschwand. Er behauptet, er sei in seinem Büro gewesen und hätte nachts gearbeitet. Bis jetzt ist das aber nur eine Behauptung.«
»Und was, bitte, ist ein Motiv?« fragte Rudy.
»Wir haben keins, abgesehen von dem, daß er irgendein krankes Spiel spielt«, sagte Ellen. »Im Augenblick müssen wir nur dafür sorgen, daß er nicht freikommt. Bis zur Verhandlung brauchen wir kein Motiv. Wir dürfen nicht vergessen, daß Wright bis Samstag nacht nicht mal ein Verdächtiger war. Die Untersuchung beginnt doch erst richtig.«
Rudy schlenderte zum Fenster und sah auf die Frühschicht der Demonstranten, die sich auf dem Gehsteig sammelte.
»Klingt, als hätten Sie alles unter Kontrolle, Ellen«, sagte er und warf ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu.
Seit Monaten hielten sich hartnäckig Gerüchte, daß die Yuppies von Park County versuchten, ihn aus seinem Amt zu verdrängen und durch Ellen North zu ersetzen. Wenn
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