Engel küssen besser
Ihnen besprechen, Mr Morrison. Das Projekt liegt mir nach wie vor sehr am Herzen. Aber ich habe auch eine Verpflichtung meiner Tochter gegenüber.”
“Ja, natürlich haben Sie das”, stimmte Morrison zu. “Und denen gegenüber, die Geld in Ihr Projekt gesteckt haben.”
“Das können Sie nicht miteinander vergleichen, und das wissen Sie auch.”
Mit einem Nicken ging Morrison hinaus. “Es hat keiner behauptet, dass im Leben alle Entscheidungen leicht fallen, Sam. Ich finde schon allein hinaus. Auf Wiedersehen, junge Dame. Pass gut auf deinen Hund auf.”
Er hätte keine Sekunde länger im Zimmer bleiben dürfen, sonst hätte sich Allison wie ein Fußballstürmer auf ihn geworfen und ihn angegriffen. Sam hielt sie zurück. “Beruhige dich, Allie. Er hat dem Hund nichts getan.”
“Das erzähl ich Gloria. Sie wird ihn umlegen!”
“Gloria legt niemanden um. Noch nicht einmal, wenn sie krank ist.” Der Gedanke an Gloria war tröstlich, auch wenn sie in letzter Zeit etwas gereizt war. Aber allein zu wissen, dass sie in der Nähe war, besänftigte den Aufruhr in ihm. Gloria war seine Ratgeberin geworden, seine beste Freundin, seine Geliebte, seine …
Er freute sich gerade an diesem Gedankengang, als er sie die Glocke läuten hörte. Sam hatte sie ihr vorsorglich gegeben, als sie krank wurde. “Sieht so aus, als sollten wir mal nach ihr schauen”, sagte er, obwohl er nicht verstand, warum sie gar nicht wieder aufhörte mit der Klingelei. “Lass uns nachsehen, was sie möchte.”
“Es juckt”, sagte Gloria. “Und es ist nicht nett von dir, dass du darüber lachst, Leonard. Diese Windpocken waren deine Idee, nicht meine.”
Sie saß auf dem gepolsterten Fensterplatz und hatte sich – vorsichtig – an die Wand gelehnt. Sie hatte die Hände vor sich im Schoß liegen, um die Flecken und Blasen auf ihrer Haut zu betrachten. “Sag mir nur eins, Leonard, hast du jemals bei einer deiner Verkörperungen eine Kinderkrankheit durchmachen müssen? Nein? Das habe ich mir gedacht. Dann kannst du dir auch nicht vorstellen, wie sehr ich mir wünsche, mich kratzen zu dürfen.”
Gloria veränderte ihre Sitzposition und versuchte, nicht an ihre Qualen zu denken. “Natürlich kenne ich den Grund. ‘Krankheiten gehören zum menschlichen Leben, und Engel müssen die Schmerzen kennenlernen, die damit verbunden sind.’ Aber es sind keine Schmerzen, es ist eine Plage. Und wem in diesem Haus soll sie bitte schön nutzen? Bestimmt nicht Sam. Er kann nicht aus dem Haus und ist ärgerlich, dass er sich nicht nur um Allie, sondern auch noch um mich kümmern muss … Wie meinst du das, er braucht das Gefühl, gebraucht zu werden?”
Verstimmt schaute sie aus dem Fenster. Draußen war ein herrlicher Tag. “Das hilft mir auch nicht weiter. Und ich komme mir jetzt überhaupt nicht wie ein Engel vor. Du bist mein Lehrer und solltest wissen, wann ich Hilfe brauche, und nicht nur gelegentlich auftauchen, wenn dir danach ist … Was? Nein, das ist nicht wahr. Ich rede ständig mit dir, aber du bist nie da, um mir zuzuhören.”
Aber Leonard hatte ja recht. Im Grunde ihres Engelherzens wusste sie das auch ganz genau. Sie hatte die Wahrheit nicht sehen wollen, ihn nicht sehen wollen. Er war nicht für sie da gewesen, weil sie ihn weggeschickt hatte. Sie wollte nur noch in diesem Körper, in diesem Haus und vor allem ein Teil von Sams Leben sein. Und ihre Wünsche waren immer mehr zur Realität geworden.
Draußen in der alten Eiche entdeckte sie ein Rotkehlchenpaar, das versuchte, sein Junges aus dem Nest zu drängen, damit es seinen ersten Flugversuch machte. Unten im Garten lag Dobbin auf der Lauer. Sein Schwanz zuckte, und er ließ die Augen nicht von dem Vogeljungen, das auf den Boden flatterte und ganz in seiner Nähe landete. Gloria starrte die Katze erschrocken an … aber es passierte nichts. Sie blinzelte überrascht und vergewisserte sich, ob sie richtig gesehen hatte. Dobbin schlich sich näher heran und schien bereit zum Sprung. Er merkte nicht, dass Gloria einschreiten wollte, und ihre Bemühung erreichte ihn auch nicht.
Dann sprang Dobbin plötzlich wie vom Blitz getroffen auf, landete auf allen vieren auf dem Boden, nur um sofort wieder in den Baum zu jagen und ganz nach oben zu klettern. Die Rotkehlcheneltern schwebten indessen über ihrem Jungen und versuchten, es zum Fliegen zu bewegen.
Danke Leonard.
Du hast Flügel Gloria. Fliege …
Sie hörte ihn rufen, während er davonflog, aber sie antwortete
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