Engelsbann: Dunkle Verlockung Teil 2 (German Edition)
zum Fenster. »Er ist ein Niemand.« Ihre Worte klangen endgültig, der leise Befehl eines Engels, der Gehorsam gewohnt ist.
Noel hatte nicht die Absicht, sie die Grenzen ihrer Beziehung diktieren zu lassen. »Dieser Niemand«, sagte er und schob die Hände in ihr volles, seidiges Haar, damit sie ihn ansehen musste, »steht zwischen uns.«
Nimra tat, als wollte sie sich ihm entziehen. Er hielt sie fest. Mit vor Ärger düsterer Miene sagte sie: »Du weißt, dass ich mich losmachen könnte.«
»Und doch stehen wir hier.«
9
Er war unmöglich, dachte Nimra. Ein solcher Mann würde niemals einen kontrollierbaren Partner abgeben – nein, er würde fordern und drängen und sich Freiheiten nehmen, die ihm nicht zustanden. Er würde sie höchstwahrscheinlich nicht mit der Ehrfurcht behandeln, die ihr aufgrund ihres Standes und ihres Alters zustanden.
Zur Überraschung jenes Teils von ihr, in dem ihre jahrhundertealte Arroganz wohnte, fand sie diese Vorstellung eher verlockend als abstoßend. Der Wille dieses Vampirs war in einer Feuerprobe gestählt worden, in der andere Männer unrettbar zerstört worden wären. Sich der Herausforderung zu stellen, sich mit ihm zu messen, um den ältesten aller Tänze mit ihm zu tanzen … oh ja .
»Eitriel«, sagte sie, »war das, was man bei den Menschen als meinen Ehemann bezeichnet hätte.« Engel heirateten nicht, wie es Sterbliche taten, sie banden sich nicht auf diese Art aneinander. »Wir kannten uns fast dreihundertfünfzig Jahre lang.«
Eine Gewitterfront zog über Noels Miene. »Dann ist er wohl kaum ein ›Niemand‹.«
»Als wir uns kennenlernten, war ich gerade zweihundert … «
»Ein Baby«, unterbrach Noel sie, seine Hände ballten sich in ihren Locken zu Fäusten. »Engel dürfen nicht einmal die Zufluchtsstätte verlassen, bevor sie hundert Jahre alt sind.«
Sie hob eine Braue. »Lass mein Haar los, Noel.«
Sofort löste er die Hände aus ihren Haaren. »Entschuldige.« Sanft strichen seine Finger über ihre Kopfhaut. »Wie verdammt unzivilisiert von mir.«
Es überraschte sie, dass er sie zum Lächeln bringen wollte, während sie kurz davor war, ihm die schrecklichste Zeit ihres Lebens zu offenbaren. »Wir wissen beide, dass du nie wie Christian sein wirst.«
Seine Augen glühten. »Wer bewegt sich jetzt auf gefährlichem Terrain?«
Ihre Mundwinkel hoben sich, als sie sagte: »Kein Baby mehr, nein, aber eine sehr junge Frau.« Wegen ihrer langen Lebensspannen wurden Engel langsamer erwachsen als Sterbliche. Mit zweihundert Jahren jedoch hatte sie nicht nur die Figur und das Gesicht einer Frau gehabt, sondern auch begonnen, ihre Flügel auszubreiten und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wer sie eines Tages sein würde.
»Zu Anfang war Eitriel mein Mentor. Ich habe bei ihm gelernt, er brachte mir bei, was es bedeutet, ein Engel zu sein, der eines Tages herrschen wird – obwohl mir das zu jenem Zeitpunkt noch nicht bewusst war.« Erst später hatte sie begriffen, dass Raphael ihre aufkeimende Stärke erkannt und die entsprechenden Schritte eingeleitet hatte, damit sie die richtige Ausbildung erhielt.
Fest und grob legte sich Noels Hand um ihren Nacken. »Du hast dich in deinen Lehrer verliebt.«
Die Erinnerungen drohten in einer vernichtenden Welle über sie hereinzubrechen, doch es war nicht die Erinnerung an ihren früheren Geliebten, die ihre Brust mit einem solchen Schmerz erfüllte, wie ihn keine Frau, ob sterblich oder unsterblich, jemals erfahren sollte. »Ja, aber erst später, als eine solche Beziehung legitim war. Ich war vierhundertneunzig Jahre alt. Eine Zeit lang waren wir glücklich.« Aber ihre Beziehung blieb stets die zwischen einem Lehrer und seiner Schülerin. »Nach dreißig Jahren Beziehung begann meine Macht exponentiell zu wachsen, und mir wurde das Gebiet um Louisiana zugewiesen. Es dauerte zehn weitere Jahre, bis sich meine Stärke gefestigt hatte, doch als es so weit war, hatte ich Eitriel bei Weitem überholt. Er war … unzufrieden.«
Noel, der nicht aufhörte, ihren Nacken zu streicheln, schnaubte. »Einer meiner sterblichen Freunde ist Psychologe. Er würde sagen, dieser Eitriel hatte einen Minderwertigkeitskomplex. Ich würde meine Reißzähne darauf verwetten, dass er einen winzigen Schwanz hatte.«
Über diese dreiste Bemerkung musste sie lachen, doch es verging ihr schnell wieder. »Seine Unzufriedenheit vergiftete unsere Beziehung«, sagte sie und dachte an sein endloses Schweigen zurück, das ihr damals das Herz
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