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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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verdammt ähnlich. Jedenfalls war es nach außen hin eine Demonstration und ihm selber eine Gaudi, wenn nach der amtlichen Verwarnung des Landesgerichtsdirektors durch das Ministerium nun der Privatmann Klenk an den Stammtisch im Bratwurstglöckel kam, um mit dem Privatmann Hartl einen gemütlichen Abend zu verbringen.
    Wie er aber jetzt im Bratwurstglöckel saß, war es auf einmal doch keine Gaudi. Die Männer hoben die schweren, derben Biergläser, sagten: »Prost, Hartl! Prost, Herr Minister!« Aber sie gefielen ihm nicht, seine Richter. Auch der Landesgerichtsdirektor Dr. Hartl, wie er aufgeblasen dasaß, mißfiel ihm dermaßen, daß es ihm nicht einmal Spaß machte, sich mit ihm herumzukampeln. Ein zuwiderer Kerl, dieser Hartl, mit seiner reichen, ausländischen Frau, seinem ausländischen Geld, seiner Villa in Garmisch, mit seiner frech gezeigtenUnabhängigkeit und seiner billigen Popularität. Selbstbewußtsein war eine gute Sache; aber der Hartl gab es zu dick. Diese schleimige, glatte, ausgeschämt verständnisvolle Arroganz, diese höhnisch konziliante Ironie. Es lohnte nicht, sich mit dem Burschen abzugeben, er hätte ihm nicht das Referat für Gnadensachen antragen sollen, wo er immerfort mit ihm zu tun hatte.
    Klenks Laune fiel herunter. Er beschaute sich die Gesichter am Tisch. Der Förtsch, dieser kaninchenmäulige Bursche, den er der Strafanstalt Odelsberg vorgesetzt hat, war natürlich gekommen, um zu schnuppern, von wo jetzt der Wind bläst. Der hat es auch gespannt. Alle krochen sie heraus aus ihren Löchern, kamen in die Stadt, zu wittern, was los sei. Daß jetzt er, der Klenk, daran war, daß er am Steuer saß, das schmeckten sie. War es wirklich so schwer zu kapieren, worauf er hinauswollte? War seine Politik, sein Programm, trotzdem er es nicht geschreimäulig kundtat, nicht schon bisher deutlich genug? Soviel sollte selbst ein höherer bayrischer Beamter ohne lange Reisen kapieren, daß jetzt nicht mehr auf den Tisch gehaut wird, daß man Konzessionen im kleinen macht, damit im großen um so saftiger genommen werden kann.
    Die Anwesenheit des Ministers und des so fröhlich und elegant hinaufdisziplinierten Dr. Hartl belebte die Männer am Stammtisch. Dr. Hartl hatte kein Geheimnis gemacht aus seiner Berufung ins Ministerium, auch Klenk nicht. Es zeigte sich so, und auch die Anwesenheit des Ministers an diesem Tisch erwies es, daß die Justiz gepanzert war gegen alle blöden Angriffe, daß in dem wackligen Staat von heute sie die einzige feststehende, unerschütterliche Macht war. Es waren notige Zeiten, und sie, die Richter, sahen unleugbar etwas abgerissen aus. Aber sie waren autonom, unabsetzbar, nur ihrem Gewissen verantwortlich, konnten freisprechen und verdammen, in Ketten legen und lösen. Niemand konnte sie zur Rechenschaft ziehen. Das hatten die Meuterer vergessen, diese Saubande, als sie auf Meineid und Hochverrat einenneuen Staat aufbauen wollten. Sie, die Richter, die wichtigsten Pfeiler der alten Ordnung, hatten sie unangetastet stehenlassen, die Rindviecher. Man mochte gegen den Klenk haben, was man wollte; aber er war der Mann, diese heiligen Rechte zu wahren. Das zeigte sich in der Art, wie er den Fall Hartl behandelte, das zeigte sich jetzt, wie er breit und mächtig neben seinem verunglimpften Richter saß. Dieses Gefühl hob die alternden Männer, steifte ihnen trotz aller äußeren Armseligkeit den Rücken, wärmte ihnen das Herz. Sie gerieten in Laune, sprachen von ihren Studentenjahren. »Prost, alter Admiral von der Starnberger-See-Flotte!« sagte einer, eine vermottete Jugenderinnerung aufbügelnd. »Das mit der Mali in Oberlanzing«, träumte ein anderer vor seinen kleinen, runzligen Schweinswürstchen, »das war ein Oktoberfest für mich.« – »Prost, Leibfuchs!« sagte ein dritter, sehr alter, zu einem kaum jüngeren. Sie lachten dröhnend, sprachen mit polternden Stimmen durcheinander, wischten sich das Nasse von den Bärten, bestellten sich neues Bier. Wahrscheinlich, erwog der Minister, hofften sie heimlich, der reiche Hartl werde heute als an seinem Ehrentag den Tisch freihalten.
    Nur der Senatspräsident Anton von Messerschmidt schloß sich aus von der allgemeinen Gaudi. Er war ein guter Jurist, ein bißchen langsam, schwerfällig. Stattlicher Herr, großes, rotes Gesicht mit altmodischem, gutgepflegtem Vollbart und riesigen, vorquellenden Augen, hörte er den Erzählungen des Geheimrats, den Späßen um ihn herum ohne Lächeln zu. Er litt mehr als die andern

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