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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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es übel um Nahrung und Kleidung. Einige waren nahe an der Altersgrenze. Vor dem Krieg waren sie überaus angesehen gewesen und hatten sichere Aussicht gehabt auf reichliche Pension und ein Alter in Fülle: jetzt war schon der gewohnte Abend im Bratwurstglöckel Luxus, sie mußten sich zehnmal überlegen, welche Zigarre sie sich leisten konnten. Dazu hatte sich ihre Arbeit gehäuft. Schuld daran, wie an allem Bösen, war die neue Staatsordnung. Sie hatte die Sitten gelockert, die Ziffer der Verbrechen gesteigert, und wer hatte die Arbeit davon? Sie. Alle hatten sie jetzt drei- oder viermal soviel Akten zu erledigen wie früher, jeder hatte morgen seine acht oder zehn Termine.
    Klenk, während man zusammenrückte, um ihm Platz zu machen, stellte sich die Objekte dieser Termine vor. Bestimmt hatten sie keine gute Nacht heute, warteten nervös auf den Morgen, bereiteten jede Geste, jedes Detail ihrer Haltung, jedes Wort vor, angstvoll gespannt auf das Gesicht, die Laune der Männer, die ihre Handlungen prüfen, wägen, richten sollten. Sie ahnten nicht, wie wenig diese Männer Zeit für sie hatten, wie wenig Neigung, sich mühsam in dieSeelen der ihrem Spruch Unterworfenen zu versenken. Sie hatten es verdammt schwer jetzt, seine Richter, waren angefüllt mit ihren Privatsorgen. Ein Haufen Arbeit, miserable Bezahlung, dazu ein fortgesetzt nörgelndes Publikum und eine blöde Presse. Die Autorität war hin. Eine breite Öffentlichkeit fing an, den Richter so zu behandeln wie frühere Zeiten den Henker.
    Es war ein Ereignis, daß Klenk heute an diesen Tisch kam, eine Demonstration. Die Männer freuten sich. Der Landesgerichtsdirektor Dr. Hartl nämlich, der heute hier am Tisch saß, jener gewandte Richter aus dem Prozeß Krüger, war auf die Dauer doch nicht gewandt genug gewesen. Er hatte sich zu sicher gefühlt, er war gestrauchelt. Eigentlich über einen einfachen Fall, den Fall Pfannenschmidt. Dem Pfannenschmidt, Lederfabrikanten in einer kleinen oberbayrischen Stadt, hatten seine Gegner, weil er Republikaner war, Landesverrat vorgeworfen, schmutzige Geschäfte, Syphilis, Mädchenschändung, hatten ihn mit Verleumdungen aus der Luft nahe an den Ruin getrieben. Pfannenschmidt hatte geklagt, war nicht durchgedrungen. Die gegnerischen Angriffe dauerten an. Der Fabrikant hatte sich, als die ganze Bevölkerung des Städtchens ihn boykottierte, vor ihm ausspuckte, zu Unbesonnenheiten hinreißen lassen. Es war zu Gewalttaten gekommen, zu Landfriedensbruch, zu einem Prozeß, in dem Landesgerichtsdirektor Dr. Hartl dem roten Gerbermeister das Fell tüchtig gegerbt hatte, wie die gutgesinnte Presse mit landesüblicher Schalkhaftigkeit feststellte. Allein der Dr. Hartl hatte es sich dabei zu leicht gemacht, seine Souveränität hatte ihm einen Streich gespielt. Wenn man das Recht beugte, durfte man sich keine Formfehler leisten. Der Landesgerichtsdirektor Hartl war in dieser Beziehung unvorsichtig gewesen, Klenk hatte offiziell ein bißchen von ihm abrücken müssen. Inoffiziell hatte er ihm einen netten, humorigen Brief geschrieben, den der Hartl auch witzig konziliant erwidert hatte. Somit wäre alles gut gewesen, aber der Hartl hatte offenbar in dieser ganzen Sache Pfannenschmidtkeine glückliche Hand. Er konnte sich’s nicht verkneifen, ein Interview erscheinen zu lassen, in dem er sich in höflicher, verständnisvoll schmunzelnder, doch im Grund arroganter Art über den Klenk mokierte, Stellen aus seinem Brief zitierte, nur wenig verhüllt. Klenk fand das Interview ganz lustig, er ärgerte sich nicht darüber; aber er konnte sich dieses Aufmucken nicht wohl gefallen lassen, er verwarnte den Hartl auf disziplinärem Weg. Inoffiziell aber ließ er bei ihm anfragen, ob er geneigt sei, in die Verwaltung hinüberzuwechseln; er trug ihm das wichtige Referat für Gnadensachen an, das in Bälde frei sein wird. Der Klenk mochte im Grund den Hartl nicht und der nicht ihn. Die ganze Angelegenheit zwischen den beiden Männern hatte etwas von einer freundschaftlichen, nicht ganz ungefährlichen Frotzelei. In dem Hin und Her dieser letzten anstrengenden Tage war die Affäre Hartl dem Klenk eine Art Erholung, er fand jetzt, er habe sie gut gelöst. Den Schreiern von der Opposition hatte er das Maul gestopft und zugleich dem Hartl eins aufs Dach gegeben; denn er hatte ihn diszipliniert. Er hatte aber gleichzeitig der Opposition eins aufs Dach gegeben und auch dem Hartl das Maul gestopft; denn diese Disziplinierung sah einer Beförderung

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