Erfolg
Abends bei einer Flasche edeln Weines ein Kapitel Tacitus und ein Kapitel Macaulay. Hielt den Tag als einen Feiertag.
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Klenk ist Klenk und schreibt sich Klenk
Klenk, nachdem Herr von Ditram ihn verlassen hatte, dehnte sich, knurrte behaglich, pfiff eine edle, klassische Melodie. Dieser behutsame Herr von Ditram, der Chef des netten, nach seinen Wünschen umgebildeten Kabinetts, Aristokrat aus dem Kreis des feinen, stillen Rothenkamp, tut, was er, der Klenk, ihn heißt. Morgen wird sich das neue Ministerium dem Landtag vorstellen. Er hat jetzt der Regierungserklärung den letzten Schliff gegeben, und der Ditram hat jede Nuance angenommen. Er hat es also geschafft. Mit dem bisherigen, mit dem Sigl, dem alten Trottel, war wirklich kein Auskommen mehr gewesen. Immer auf den Tisch hauen, immer der Sauherdenton gegen Preußen und das Reich, das war auch nicht das Rechte. Er, Klenk, hat sich auf die Dauer wirklich geniert, mit was für Viechern man da auf der Ministerbank zusammensaß. Es war schon gut, daß er die wirklichen, undeutlichen Machthaber im Hintergrund vor die Alternative gestellt hat, endlich einmal einen von ihren repräsentativen Leuten vorzuschicken oder auch auf ihn zu verzichten. Ein Licht war ja der neue, der Ditram, gerade nicht. Der Reindl ist auf die Idee gekommen, hat den Namen in die Debatte geschmissen. Er mag ihn nicht, den Fünften Evangelisten; der ist ein ganz Verdruckter und hat es gnädig, als wäre er Gottvater oder König Ludwig II. selber. Aber den alten Ditramwieder anschwirren zu lassen war doch eine gute Idee. Wenn er auch keinen Grips hat, er hat wenigstens Manieren. Er war unter dem Prinzregenten Luitpold Gesandter beim Vatikan. Er wird auf stille Art tun, was der Klenk für gut hält.
Harte Arbeit hat es gekostet. Konferenzen mit den Parteiführern. Telefongespräche mit den heimlichen Herren im Land. Hin, her, ein verflixter Kuhhandel. Eine ganze Woche ist das gegangen. Zwei Konzerte hat er auslassen müssen, auf die er sich gefreut hat, und keine halbe Stunde hat er erwischt, um bei dem schönen Wetter hinauszufahren. Aber jetzt hat er’s hinter sich, und gut ist’s gegangen. Eingetränkt hat er’s ihnen. Er ist wer, das werden die andern jetzt auch gespannt haben. Klenk ist Klenk und schreibt sich Klenk.
Es ist kaum neun Uhr. Heut kann er sich einmal Feierabend vergönnen. Eine Hetz will er sich machen, eine Gaudi. Er lächelt, sein langer, kräftiger Mund verzieht sich. Wen soll er sich vorknöpfen, den Hartl oder den Flaucher? Er nimmt den Lodenmantel um, klemmt die Pfeife zwischen die Zähne, krempt sich den mächtigen Filzhut über den braunroten Kopf. Vielleicht beide, den Flaucher und den Hartl.
Er geht seinen kurzen Weg zu Fuß. Nicht in die Tiroler Weinstube, sondern zuerst einmal in das Restaurant zum Bratwurstglöckel.
Das alte Restaurant in dem engen Winkel zu Füßen des Doms war noch rauchiger, dämmeriger als die Tiroler Weinstube. Klenk, wie er jetzt die innere Glastür öffnete, sah riesig aus in dem niedrigen Raum zwischen den altertümlichen Modellen und Geräten, die, von der Decke hängend, ihm fast den Kopf rührten. Er sah sich um; es dauerte immer einige Sekunden, bis man in Dunst und Rauch Gesichter unterschied. Die Menschen hockten dicht aufeinander, aßen sehr kleine, verrunzelte, gebratene Würste mit gekümmeltem Sauerkraut und winzigen Salzbrezeln, tranken Bier.
Richtig, dort saß der Mann, den er suchte, der Landesgerichtsdirektor Dr. Hartl. Es war klar, daß der heute hier sein wird an dem Stammtisch, auf dem als eine Art Wahrzeichenein altertümlich angezogener bronzener Trompeter stand, eine Fahne haltend, mit der Verkündigung »Besetzt«. Der Dr. Hartl saß da zusammen mit einem Dutzend Fachgenossen; Klenk kannte sie gut, es war der Senatspräsident Messerschmidt und andere Kollegen. Der Minister sah, daß man im Bild war über seine Stellung in dem neuen Kabinett. Er wurde, an Achtung gewohnt, heute mit doppeltem Respekt begrüßt. Befriedigt stellte er fest: sie hatten es gespannt.
Während er sich durchwand durch die Gäste des Bratwurstglöckel, Leute mit Hochschulbildung, Oberlehrer, Zeitungsredakteure, höhere Beamte, die einander fast alle seit Jahren kannten, beschaute er durch den Dunst den Tisch mit seinen Beamten. Sie sahen nicht gut aus, verdrießlich, abgetragen, verschlissen Mienen und Kleider. Es war nicht verwunderlich, die Besoldung war miserabel, sie hatten Weib und Kinder, in jenen Jahren der Geldaufschwemmung stand
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