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Erfolg

Erfolg

Titel: Erfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lion Feuchtwanger
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die er mit dem Ingenieur Kaspar Pröckl gesprochen hatte, war das Bild »Josef und seine Brüder« gewesen. Johanna meinte, man solle vielleicht mit der Suche nach dem verschollenen Bild ein Detektivbüro beauftragen. Aber das hatte Krüger ausdrücklich verboten.
    Johanna beschäftigte die merkwürdig kaufmännische Art, wie Martin zu ihr über ihre Tätigkeit für ihn gesprochen hatte. Sie und der Anwalt würden das schon bestens erledigen , hatte er gesagt. Aber zu Kaspar Pröckl hatte er von dem Bild »Josef und seine Brüder« gesprochen.
    Auf der Rückfahrt war sie einsilbiger als der Ingenieur. Der suchte ihr zu erklären, was er gut, was schlecht an Martins Büchern fand. Daß Martin Krüger sie jetzt als Dreck bezeichnete, war natürlich übertrieben. Aber es war nicht schlecht, daß er es tat. »Er beißt sich durch«, sagte er nachdrücklich, Johanna aus seinen tiefliegenden, brennenden Augen heftig anstarrend.
    Als sie sich von Kaspar Pröckl verabschiedete und die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg, blieben Johanna drei Bilder: der graugesichtige, friedliche, schlaffe Mann hinter dem Gitter, die brennenden, tiefliegenden Augen des jungen Ingenieurs, die sechs kümmerlichen, eingemauerten Bäume des Spazierhofs.
4
Der Fünfte Evangelist
    Andreas Freiherr von Reindl, Generaldirektor der Bayrischen Kraftfahrzeugwerke, sah nach der Uhr und sah, daß es fast halb elf war. Um halb elf sollte er nach einer Notiz auf seinemKalender seine Direktoren Otto und Schreiner empfangen. Gleich wird das Telefonsignal aufleuchten, und der Sekretär wird die beiden anmelden. Herr von Reindl spürte wenig Lust zu dieser Konferenz. Technische Details der Bayrischen Kraftfahrzeugwerke interessierten ihn nicht; wenn er mit seinen Beamten darüber sprach, war es Formsache, fade Pflicht.
    Er kramte in den Briefschaften, Zeitungsausschnitten, die man ihm auf seinem dekorativen Schreibtisch zurechtgelegt hatte. Ließ die braunen Augen nicht sehr interessiert über die vielen Papiere gleiten. Griff sich schließlich ein giftgrünes Heft heraus, eine Berliner Zeitschrift. Schlug mit den blassen, feisten Händen den dick angestrichenen Aufsatz »Der Fünfte Evangelist« auf. Er kam in Mode jetzt bei den Feuilletonisten des Wirtschaftsteils. Man beschäftigte sich in der Öffentlichkeit mit seinem Seelenleben. Langsam, während sich die Oberlippe mit dem dicken, schwarzen Schnurrbart gepreßt aus dem fleischigen Gesicht wölbte, las er dieses:
    Herr von Reindl, Chef der Bayrischen Kraftfahrzeugwerke, der Donauschiffahrtsgesellschaft, Herr der Kapuzinerbrauerei, des »Generalanzeigers«, beteiligt an manchen andern Unternehmungen, unter den bayrischen Industriellen unbestritten führend, sei, trotz seiner Zugehörigkeit zur partikularistischen Partei, anders, als man sich gemeinhin einen Bayern vorstelle. Heute annähernd fünfzig, habe er in seiner Jugend als das gegolten, was man in München ein Früchterl nenne, als verlorener Sohn. Er habe viel auf Reisen gelebt, seltsame, für einen Münchner ungewöhnliche Neigungen an den Tag legend. Nach Bayern zurückgekehrt, habe sich dann Herr von Reindl als Führer der wenigen eingeborenen Lebemänner der Stadt München aufgetan. Vielleicht aus jener Zeit rührte sein Spitzname Der Fünfte Evangelist. Dieser Spitzname, trotz seiner undeutlichen Begründung, hafte an dem Mann jetzt seit zwanzig Jahren. Strahlend schwarz das Haar und der buschige Schnurrbart, habe er sich fremdartig ausgenommen in der Münchner Umgebung, ein Bursche von auffallend gutem Äußeren: Erbteil vermutlich seiner Großmutter, Mariannevon Placiotta, die König Ludwig I. für die Schönheitsgalerie seiner Residenz hatte porträtieren lassen. Er sei damals von den Münchner Frauen vorbehaltlos angeschwärmt worden, Mittelpunkt des Münchner Faschings, sowohl der Bälle der oberen Zweitausend wie der Redouten in den Bierkellern des Volks, nächst dem Prinzen Alfons der beliebteste Mann der Stadt. Allein trotz seiner Eleganz, seiner Weltläufigkeit, trotz der Liebe der Frauen sei dieser reiche Sohn einer alteingesessenen Aristokratenfamilie in der Münchner Gesellschaft, bei Hof, im Kaufmannskasino, im Herrenklub niemals wirklich beliebt gewesen. Hier wunderte sich Herr von Reindl. Denn was der Berliner Journalist da behauptete, hatte er niemals wahrgenommen, und niemals hatte ihm jemand etwas davon gesagt. Aber jetzt, mit zunehmenden Jahren, die Situation klarer übersehend, fand er, daß der Berliner eigentlich recht

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