Erik der Wikinger
Gib mir deinen Rat.«
Groa lachte erneut. »Die Dinge müssen so sein, wie das Schicksal es bestimmt hat. Dies ist nun mein Rat: Asmund wird einen Vorteil aus Gudrudas Schönheit ziehen wollen. Wer sie zum Weib bekommt, muß ein Mann reich an Freunden und an Geld sein; und in dieser Sache denkt Björn genauso wie sein Vater. Nun werden wir warten und die Augen offenhalten, und wenn die Gelegenheit richtig ist, werden wir Asmund und ihrem Bruder Björn Geschichten über Gudruda zutragen und schwören, daß sie ihre Sittsamkeit bei Erik überschritten hat. Darüber wird Asmund zürnen, und er wird Erik von Gudrudas Seite vertreiben. Inzwischen werde ich folgendes tun: Im Norden lebt ein Mann, der reich an allen Dingen und aufgeblasen vor Stolz ist. Er trägt den Namen Ospakar Schwarzzahn. Seine Frau ist erst vor kurzem gestorben, und er hat verkündet, daß er das schönste Mädchen Islands heiraten will. Nun beabsichtige ich, Koll den Halbgescheiten, den Leibeigenen, den Asmund mir gegeben hat, wie zufällig zu Ospakar zu schicken. Er ist ein großer Redner und sehr klug, denn bei seiner Halbgescheitheit ist er von listigerem Verstand als die meisten anderen Männer; und er wird Gudrudas Schönheit so hoch preisen, daß Ospakar hierher kommen und sie um die Ehe bitten wird; und wenn alles gutgeht, wirst du dich auf diese Art einer Rivalin entledigen, und ich mich einer, die verächtlich auf mich herabsieht. Doch wenn dieser Plan scheitern sollte, gibt es noch zwei andere Wege, auf denen starke Füße bis zum Ende ausschreiten können; und einer dieser Wege besteht darin, daß du Erik mit deiner Schönheit für dich gewinnst, denn die ist nicht gering. Alle Männer sind schwach, und ich habe einen Trank, der das Herz so weich wie Wachs macht; aber der andere Pfad ist noch sicherer.«
»Und was ist das für ein Pfad, meine Mutter?«
»Er verläuft durch Blut in Dunkelheit. Neben dir liegt ein Messer, und in Gudrudas Brust schlägt ein Herz. Tote Frauen sind ungeeignet für die Liebe!«
Swanhild warf den Kopf zurück und musterte das dunkle Gesicht Groas, ihrer Mutter.
»Mich deucht, bei dem Preis, den es zu erringen gibt, würde ich mich nicht fürchten, diesen Pfad zu begehen, wenn es sein muß, Mutter.«
»Nun sehe ich, daß du in der Tat meine Tochter bist. Das Glück gehört den Kühnen. Jedem kommt es in ungewisser Gestalt. Einige lieben Macht, einige Reichtum und einige – einen Mann. Nimm, was du liebst – bahne dir deinen Weg dorthin und nimm es, sage ich; sonst wird dein Leben nur aus Langeweile bestehen: denn welchen Nutzen hat es, Reichtum und Macht zu gewinnen, wenn du nur einen Mann liebst, oder den Mann, wenn du Gold und den höchsten Rang begehrst? Dies ist weise: die Sehnsucht deiner Jugend zu befriedigen; denn das Alter kriecht schnell heran, und dahinter liegt Dunkelheit. Wenn du daher diesen Mann begehrst, und Gudruda steht dir im Weg, dann erschlage sie, Mädchen. Mit Zauberkraft oder mit Stahl. Und nimm ihn, und in seinen Armen wirst du vergessen, daß die deinen rot sind. Aber laß uns zuerst den einfacheren Plan versuchen. – Tochter, auch ich hasse dieses stolze Mädchen, die mich als ihres Vaters Hure verachtet. Auch ich sehne mich danach, ihren blonden Kopf stumpf im Staub des Todes zu sehen, oder wenigstens diese stolzen Augen Schamestränen weinen zu sehen, weil der Mann, den sie haßt, sie als seine Braut von dannen führt. Hätte es sie nicht gegeben, wäre ich Asmunds Frau, und wenn sie fort ist, kann ich, dies mit deiner Hilfe doch noch werden – denn er liebt dich sehr und hat auch allen Grund, dich zu lieben. Sollen wir also in dieser Angelegenheit, wenn schon in keiner anderen, Hand in Hand vorgehen und unsere fünf Sinne gegen ihre Unschuld stellen.«
»So sei es«, sagte Swanhild. »Enttäusche mich nicht und fürchte nicht, daß ich dich enttäuschen werde.«
Nun brach Koll der Halbgescheite zu seinem Botengang auf, und die Zeit verstrich, bis nur noch ein Monat an Weihnachten fehlte, und die Männer saßen in den Häusern, da die Jahreszeit dunkel war und viel Schnee fiel. Schließlich kam der Frost, und mit ihm ein klarer Himmel, und Gudruda unterbrach in der Halle das Spinnen und ging zur Frauenveranda. Sie sah hinaus und erkannte, daß der Schnee hart war, und es überkam sie eine große Sehnsucht nach frischer Luft, denn noch war eine Stunde Tageslicht. So warf sie sich einen Mantel um und schritt aus. Sie nahm die Straße zum Kaltrücken in den Marschen beim
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