Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Madame Ismailoff, den beiden vertrautesten Damen der Kaiserin, davon Mitteilung zu machen. Diese liebten Madame Tschoglokoff nicht und wußten bereits, was vorgefallen war. Die kleine Gräfin Schuwaloff, welche die Indiskretion selber war, wartete aber gar nicht erst, bis ich ihr davon sprach, sondern begann, als sie beim Spiel an meiner Seite saß, selbst mit mir davon zu reden, wobei sie durch ihren scherzhaften Ton das Benehmen der Tschoglokoff so ins Lächerliche zog, daß diese bald zum Gegenstande allgemeinen Spottes wurde. Ja, sie tat noch mehr, sie erzählte der Kaiserin,was sich ereignet hatte. Augenscheinlich wurde Madame Tschoglokoff ein Verweis erteilt, denn sie milderte ihren Ton gegen mich zusehends. Und in der Tat bedurfte ich dessen sehr nötig, denn ich fing an, eine große Neigung zur Melancholie zu spüren. Ich fühlte mich schrecklich einsam. Der Großfürst faßte in Reval eine vorübergehende Neigung zu einer Dame Namens Cédéraparre und verfehlte natürlich nicht, seiner Gewohnheit gemäß, mich sofort ins Vertrauen zu ziehen.
Da ich häufig an Brustschmerzen litt und in Katharinental Blut ausgeworfen hatte, ließ man mir zur Ader. Am Nachmittag trat Madame Tschoglokoff in mein Zimmer und fand mich mit verweinten Augen. Mit bedeutend freundlicherem Ausdruck fragte sie mich, was mir fehle, und schlug mir seitens der Kaiserin vor, einen Spaziergang in den Garten zu machen, um, wie sie sagte, meine Hypochondrie zu zerstreuen. Außerdem händigte sie mir von Ihrer Majestät 3000 Rubel zum Pharospiel ein, denn die Damen hatten gemerkt, daß es mir an Geld fehle, und es der Kaiserin gesagt. Ich bat sie, Ihrer kaiserlichen Majestät für ihre Güte zu danken und ging mit Madame Tschoglokoff im Garten spazieren, um frische Luft zu schöpfen. Der Großfürst war an diesem Tage mit dem Oberjägermeister Razumowski auf der Jagd.
Einige Tage nach unserer Ankunft in Katharinental traf der Großkanzler Graf Bestuscheff ein in Begleitung des kaiserlichen Gesandten Baron Preyslein. Aus den Glückwünschen, welche er uns darbrachte, konnten wir ersehen, daß sich die beiden kaiserlichen Höfe durch einen Allianzvertrag vereinigt hatten. Hierauf begab sich die Kaiserin zum Flottenmanöver, doch mit Ausnahme des Pulverdampfes sahen wir nichts. Der Tag war ausnehmend heiß und es herrschte vollkommene Windstille. Nach der Rückkehr von diesem Manöver fand in den auf der Terrasse aufgeschlagenen Zelten der Kaiserin einBall statt. Das Souper wurde unter freiem Himmel um ein Bassin serviert, wo Fontainen springen sollten; aber kaum hatte sich die Kaiserin zu Tisch gesetzt, als ein Platzregen die ganze Gesellschaft durchnäßte. Alles flüchtete dann so gut es ging in die Häuser und Zelte, und so endete das schöne Fest.
Einige Tage darauf begab sich die Kaiserin nach Roguervick. Auch hier manövrierte die Flotte, und wir sahen wieder nichts als Dampf. Bei dieser Reise verletzten wir uns alle die Füße auf eigentümliche Weise. Der Boden dieser Gegend ist vollkommen felsig und von einer dicken Schicht kleiner Kieselsteine bedeckt, in welche, wenn man längere Zeit auf derselben Stelle steht, die Füße einsinken und von den Kieseln bedeckt werden. Da wir dort unsere Zelte aufgeschlagen hatten, waren wir genötigt, mehrere Tage hindurch auf diesem Boden zu gehen, wovon mir meine Füße noch vier Monate nachher weh taten. Die Galeerensklaven, welche an dem Hafendamme arbeiteten, brachten uns wohl Holzschuhe, aber auch diese hielten nicht länger als acht bis zehn Tage.
Der kaiserlich österreichische Gesandte war ebenfalls Ihrer Majestät nach diesem Hafen gefolgt und dinierte und soupierte mit ihr auf dem Wege zwischen Roguervick und Reval.
Bei der Rückkehr nach Katharinental hatte Madame Tschoglokoff das Vergnügen, ihren Gemahl zu treffen, der von seiner Sendung nach Wien zurückgekehrt war. Obgleich sich auf dem Wege nach Riga, wohin sich die Kaiserin begeben wollte, schon viele Hofequipagen befanden, die der Kaiserin entgegen kamen, änderte sie plötzlich, nachdem sie in Roguervick gewesen, ihren Plan. Man zerbrach sich den Kopf über die Ursache dieser Aenderung, aber erst viele Jahre später sollte sich dieselbe aufklären. Als Herr Tschoglokoff nämlich durch Riga gekommen war, hatte ihm ein lutherischer Pastor, der entweder ein Narr oder ein Fanatiker war, einen Brief mit einerDenkschrift überreicht, worin er die Kaiserin beschwor, die Reise nicht zu unternehmen, weil sie sich auf derselben der
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