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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Das Buch
    Malta im Jahre des Herrn 1565: Hier findet Abu Dun endlich Ruhe
bei der Witwe Julia und deren Sohn Pedro, den er wie ein eigenes
Kind liebt. Andrej schlägt unter der schützenden Hand des einflussreichen Jean Parisot de la Valette die Laufbahn eines Galeerenkapitäns ein. Darüber hinaus hofft er, auf Malta endlich das Geheimnis
um sein Volk, die Unsterblichen, zu lüften. Doch dann scheint eine
Hiobsbotschaft allen Hoffnungen und Träumen ein Ende zu bereiten:
Der türkische Sultan plant, die strategisch äußerst günstig gelegene
Insel seinem Reich einzuverleiben und mit einem vernichtenden
Schlag die tapferen Ordensritter ein für alle Mal auszulöschen, die
das letzte Bollwerk bilden, das der endgültigen Eroberung Europas
durch die Osmanen noch im Weg steht.
3. April 1565, auf dem ersten Hof des neuen Serails in Konstantinopel, zur Stunde des abendlichen Gebetes
    Der Tod war ihm schon oft begegnet. In jeder nur denkbaren Form
und in einer Anzahl von Formen, die sich die meisten Menschen
nicht einmal vorstellen konnten und es wahrscheinlich auch nicht
wollten. Seine Nähe war ihm so vertraut wie die eines heraufziehenden Unwetters, das man schon spürt, lange bevor sich Wolken am
Himmel zeigen und das erste Wetterleuchten den Horizont auflodern
lässt. Manchmal glich es eher dem Zittern der Erde unter dem Wüten
einer Lawine, die erbarmungslos alles hinwegfegt, was sich ihr in
den Weg stellt. Mitunter kam der Tod leise und fast verstohlen und
überraschend oft in der Gestalt eines vertrauten alten Freundes, an
dem nichts Erschreckendes war.
    Noch an diesem Tag würde er zu ihm kommen.
Er wusste nur noch nicht, wie.
Häufig warnte ihn eine dunkle Ahnung, dass sich ihm der Schnitter
    Tod näherte. Das war eine der sonderbaren Fähigkeiten, die ihm geschenkt worden waren und von denen er bis zum heutigen Tage nicht
wusste, ob sie nun Segen oder Fluch oder beides zugleich bedeuteten. Mit jedem Schritt, den sie auf den Kuppelbau auf der anderen
Seite des Hofes zugingen, wurde diese Ahnung mehr und mehr zur
Gewissheit.
    Dazu kam vielleicht auch ein wenig Angst. Er hatte keinen Grund,
den Tod zu fürchten - dazu war er ihm schon zu oft begegnet. Aber er
war ein Mensch aus Fleisch und Blut und er fürchtete sehr wohl
Schmerzen und Leid, die er in überreichem Maße kannte. Entgegen
den Worten vieler vermeintlich tapferer Männer waren diese treuen
Begleiter des Todes Gefährten, an die er sich niemals gewöhnen
konnte. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er Männer verachtet, die
sich damit brüsteten, dass sie weder Folter noch Tod fürchteten und
körperlichem Schmerz ins Gesicht lachten. Die meisten von ihnen
waren schreiend und wimmernd gestorben. Mittlerweile wusste er es
besser. Erst wer den Tod am eigenen Leib erfahren hatte, konnte mit
Gewissheit sagen, wie er sich im Angesicht des Sensenmannes verhalten hatte. Nur gab es nicht allzu viele Menschen, die in der Lage
waren, von ihren Erlebnissen zu berichten.
    Nicht viele, die so waren wie er.
Auch wenn er noch nicht wusste, dass er in weniger als einer Stunde vom Speer eines Janitscharen durchbohrt werden würde, spürte er
seinen alten und unwillkommenen Freund nahen und fragte sich, wie
es wohl diesmal sein würde - schnell und gnädig oder langsam und
so qualvoll, dass er sich wünschen würde, endgültig sterben zu dürfen, nur, damit es vorbei war?
Andrej verscheuchte den Gedanken und tastete noch einmal nach
dem falschen Bart, den er mit Zedernharz auf seine Oberlippe geklebt hatte. Er fühlte sich gut an. Andrej hatte sich lange und überaus
misstrauisch in einem Stück spiegelnden Metalls betrachtet, um sich
davon zu überzeugen, dass er auch so gut aussah, wie er sich anfühlte. Zusammen mit seiner Haut, die in langen Jahren unter der erbarmungslos sengenden Mittelmeersonne fast so dunkel geworden war
wie die eines Muselmanen, und dem kleinen goldenen Ohrring, den
er sich in das linke Ohrläppchen gesteckt hatte, gab er einen ganz
passablen Türken ab. Er trug die kostbaren Seidengewänder eines
hohen Beamten am Hofe des Sultans. Hinzu kam, dass er nicht nur
gelernt hatte, wie ein Türke zu sprechen, sondern sich auch wie ein
solcher zu bewegen - ein Unterschied, den viele Menschen wahrscheinlich nicht einmal bemerkt hätten, der aber bedeutsamer sein
konnte als Schuhe, Kleidung und ein falscher Bart.
Nein, versuchte er sich selbst zu beruhigen, die Verkleidung war
perfekt.
Dennoch würde ihr

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