Erinnerungen der Kaiserin Katharina II.
Widerwillen, aber er tat alles, mich zu überreden, doch ohne Erfolg. Es gefiel mir in meinem Zimmer besser, besonders wenn Madame Kruse nicht da war. Während des Winters entdeckte ich nämlich bei ihr eine besondere Neigung zum Trunk, und da sie bald nachher ihre Tochter an den Hofmarschall Sievers verheiratete, ging sie entweder aus, oder meine Leute fanden Mittel, sie betrunken zu machen. Dann verfiel sie in tiefen Schlaf, und mein Zimmer war von dem mürrischen Argus befreit.
Nachdem Graf Brummer und der Oberkammerherr Berkholz ihrer Dienste beim Großfürsten enthoben waren, ernannte die Kaiserin den General Fürsten Basil Repnin zum Begleiter des Großfürsten. Eine bessere Wahl hätte die Kaiserin gewiß nicht treffen können, denn Fürst Repnin war nicht nur ein Mann von Ehre und Rechtschaffenheit, sondern auch ein Mensch mit viel Geist und Galanterie, voller Reinheit und Biederkeit des Charakters. Ich besonders konnte das Benehmen des Fürsten nur loben. Den Rücktritt Brummers bedauerte ich nichtallzusehr: er langweilte mich durch seine ewigen Gespräche über Politik. Er lebte nur in Intrigen, während der offene, militärische Charakter Fürst Repnins mir Vertrauen einflößte. Der Großfürst wiederum war froh, seiner bisherigen Lehrmeister, die er haßte, entledigt zu sein. Dennoch jagte ihm ihre Entfernung noch einen großen Schrecken ein, weil er nämlich dadurch den Intrigen des Grafen Bestuscheff preisgegeben wurde, welcher die Triebfeder aller unter dem bequemen Vorwande der Mündigkeit Seiner kaiserlichen Hoheit im Herzogtum Holstein vorgenommenen Veränderungen war. Prinz August, mein Onkel, befand sich noch immer in Petersburg und wartete hier auf die Verwaltung des Erblandes des Großfürsten.
Im Mai bezogen wir den Sommerpalast. Gegen Ende desselben Monats gab mir die Kaiserin Madame Tschoglokoff, eine ihrer Ehrendamen und Verwandten, als Oberhofmeisterin. Dies traf mich wie ein wahrer Donnerschlag, denn jene Dame war dem Grafen Bestuscheff sehr ergeben, äußerst einfach, dazu boshaft, launenhaft und selbstsüchtig. Ihr Gatte, Kammerherr der Kaiserin, war damals mit irgendwelchem Auftrag nach Wien geschickt worden. Als sie ihren Dienst bei mir antrat, weinte ich den ganzen Tag so heftig, daß mir am folgenden Tag zur Ader gelassen werden mußte. Am Morgen kam die Kaiserin in mein Zimmer und sagte, als sie meine rotgeweinten Augen sah, nur diejenigen jungen Frauen, welche ihre Männer nicht lieben, pflegten zu weinen. Meine Mutter jedoch habe ihr versichert, ich empfinde keinen Widerwillen, den Großfürsten zu heiraten, sonst würde sie mich nicht dazu gedrängt haben; da ich aber einmal verheiratet sei, solle ich aufhören zu weinen. Glücklicherweise erinnerte ich mich der Vorschriften, die mir Madame Kruse gegeben, und erwiderte: Winowatj Matjuschka , worauf die Kaiserin sichzufrieden gab. Inzwischen kam der Großfürst, den sie diesmal sehr freundlich empfing, dann entfernte sie sich. Man ließ mir zur Ader, was ich augenblicklich sehr bedurfte, legte mich in mein Bett, und dann weinte ich den ganzen Tag. Am andern Tag nahm der Großfürst mich beiseite, und ich bemerkte an seinen Aeußerungen, daß man ihm zu verstehen gegeben hatte, Madame Tschoglokoff sei mir beigegeben worden, weil ich ihn nicht liebe. Aber ich begreife nicht, wie man glauben konnte, meine Zärtlichkeit für ihn werde sich erhöhen, wenn man mir jene Frau beiordnete. Das sagte ich ihm auch ganz offen. Als Argus über mich zu wachen, war eine andere Sache. Dazu hätte man indes nicht eine so dumme Person wählen müssen, und sicherlich genügte es auch für ein solches Amt nicht, schlecht und böswillig zu sein. Man hielt Madame Tschoglokoff nämlich für äußerst tugendhaft, weil sie ihren Mann damals bis zur Anbetung liebte. Sie hatte ihn aus Liebe geheiratet, und mit diesem schönen Beispiel, das man mir vor Augen führte, dachte man mich vielleicht zu bewegen, dasselbe zu tun. Wir werden sehen, mit welchem Erfolg. Aller Wahrscheinlichkeit nach war dies der einzige Grund, der diese Aenderung in meiner Umgebung beschleunigte; ich sage beschleunigte, denn ich glaube, daß Graf Bestuscheff von Anfang an beabsichtigte, uns mit seinen Kreaturen zu umgeben. Er hätte gern mit der Umgebung der Kaiserin dasselbe getan, aber dies war nicht so leicht.
Bei meiner Ankunft in Moskau hatte der Großfürst in seinen Gemächern drei Bediente mit Namen Czernitscheff, alle drei Söhne von Grenadieren aus der Leibgarde der
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