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Ernteopfer

Ernteopfer

Titel: Ernteopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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Siegfried gereizt. »Dann würdet ihr nicht gleich heute kaputt ge hen, sondern erst in den nächsten Monaten langsam ster
    ben.«
    »Warum das denn?«
    »Stell dir mal vor, die würden einen Insolvenzverwal ter einsetzen. Dann ist es vorbei mit den kleinen steuerli chen Auslegungen in eigener Verantwortung, der macht voll auf Gesetz.«
    »Ja, so soll es sein! Wir zahlen auch Steuern.«
    Siegfried nickte ihm mitleidig zu.
    »Ja, natürlich zahlst du brav deine Steuern, da habe ich gar nichts dagegen. Nur bei unserer Genossenschaft geht das leider nicht!«
    »Jetzt red nicht um den heißen Brei herum, was hast du für ein Problem, Samuel?«
    Wissend lächelte er einen Moment in die Runde, bevor er siegessicher weiterredete.
    »Ihr wisst genau, dass die Discounter einem das Leben schwer machen. Zwei Drittel unserer Waren nehmen die ab. Ständig wird man mit Preissenkungen erpresst. Ich sag euch was: Ohne die Tricksereien hätten wir nur die Hälf te an Umsatz zu verteilen. Meine Provision verdiene ich seit zwei Jahren nur durch Umschichtungen ins Ausland. Handelsspanne? Vergesst das. Da bleibt nichts, aber auch gar nichts mehr hängen.«
    Für eine halbe Minute herrschte Ruhe. Dann brach das Chaos aus. Alle riefen gleichzeitig, manche standen von ihren Stühlen auf und einige beschimpften Siegfried lautstark.
    Dieser stand noch an gleicher Stelle und wippte immer noch vor sich hin.
    Einige Minuten später wollte er erneut das Wort an sich reißen, was ihm nach ein paar misslungenen Anläu fen auch gelang.
    »Es tut mir leid, wenn ich euch die Pistole auf die Brust setzen muss. Entweder ihr seid ab sofort mit der Halbie rung der Umsätze einverstanden oder ihr müsst euch ab morgen einen anderen Vermarkter suchen. Drauflegen will ich nämlich nicht.«
    Daraufhin musste ich die Lautstärke am Kopfhörer zurückdrehen, vermutlich war man im Spiegelsaal nahe daran, Siegfried zu lynchen.
    Ich beobachtete das Spektakel noch eine Weile. Aus hei terem Himmel klopfte plötzlich jemand auf das Autodach. Vor Schreck fiel ich fast vom Beifahrersitz. Es war Dietmar Becker, der zurückgekommen war. »Mensch, müssen Sie mich so erschrecken?«, herrschte ich ihn an.
    »Tut mir leid, Herr Palzki. Ich ahnte nicht, dass Sie bereits eingeschlafen sind.«
    Ich schaute ihm tief in die Augen.
    »Na, das haben Sie aber schlau angestellt. Hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Was halten Sie von der ganzen Sache da drüben?«
    »Ich habe mir ehrlich gesagt mehr davon versprochen. Drüben geht es einzig und allein darum, dass Siegfried in Zukunft noch mehr Gewinn einsacken will.«
    »Glauben Sie die Geschichte nicht, die er seinen Ge nossenschaftsmitgliedern erzählt hat?«
    »Vergessen Sie es. Mein Freund, der bei Siegfrieds Steu erberater arbeitet, hat mal zu mir gesagt, dass der Groß handel eine Gelddruckmaschine sei, und das selbst dann, wenn man alles legal abrechnen würde.«
    Ich schüttelte nur noch ungläubig den Kopf.
    »Wahnsinn. Und jetzt nutzt Siegfried die Gunst der Stunde, um seinen Mitgliedern noch ein Stück mehr vom Kuchen abzuknapsen.«
    »So sieht es aus. Die Mitglieder sind arme Schweine und zudem noch in einer extrem schlechten Verhandlungs position.«
    »Und was lernen wir daraus, Herr Becker?«
    »Das es sich nicht gelohnt hat, hierher zu kommen. Ich dachte nämlich, dass der Fall Schablinski aufgeklärt wird.«
    »Na, da wird jetzt wohl nichts mehr draus. Ich denke, wir brechen ab und fahren wieder heim, okay?«
    »Das glaube ich auch. Hier zu warten dürfte nichts mehr bringen.«
    »Dann lassen Sie uns mal alles zusammenräumen. Sie werden wohl nichts dagegen haben, wenn ich Sie nach Hause fahre, oder?«
    »Oh, vielen Dank, das wäre wirklich nett.«
    Ich schraubte das Teleobjektiv vom Stativ, packte alles wieder ordentlich in die Tasche und stellte diese behutsam in den Kofferraum. Die Speicherkarte ließ ich am Tele, da konnte sie wenigstens nicht verloren gehen. Gleich mor gen früh würde ich das kostbare Stück wieder zu Jacques zurückbringen.
    Auf der Rückfahrt bot ich dem Studenten einen mei ner beiden letzten Schokoriegel an. Diesmal schien auch er Hunger zu haben und so fuhren wir schmatzend an der Abfahrt Mutterstadt vorbei.
    »Äh, Herr Palzki, ich glaube, wir hätten hier vielleicht besser abbiegen sollen.«
    »Mist, der Mensch ist halt ein Gewohnheitstier. Ganz automatisch wäre ich jetzt nach Schifferstadt gefahren. Na ja, macht nichts, fahren wir eben über Limburgerhof, das ist nur unwesentlich

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