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Erzähl mir von morgen

Erzähl mir von morgen

Titel: Erzähl mir von morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Seidenberg
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wie es schien, gab es keinen Mann in ihrem Leben. Erstens hatte sie ihn, Nate, angerufen und nicht ihren Freund und zweitens, hatte er sich in ihrer Wohnung umgeschaut, als sie geschlafen hatte. Das war zwar nicht die feine englische Art, doch seine Neugier war zu groß. Keine Fotos, Briefe oder andere Anzeichen deuteten darauf hin, dass sie vergeben war. Es gab nur wenige Urlaubsfotos, auf denen Greta in die Kamera lächelte. Auf einem Foto, das an der Küchenpinnwand hing, war sie mit einer anderen jungen Frau zu sehen. Und eines, dieses Bild hatte er sich eindringlicher angesehen, zeigte ein kleines Baby in ihren Armen. Es schien noch nicht so alt zu sein und Greta sah mit Fürsorge und Liebe auf den kleinen Menschen hinab.
     
    Nate streckte sich und überlegte. Wie konnte er ihr Leben so genau unter die Lupe nehmen, wenn sein eigenes nicht gerade das Glanzstück war?
    Als einer der besten Staatsanwälte im Bundesstaat, war er sehr gefragt. Es mangelte ihm nicht an hübschen Begleiterinnen, wenn er zu einem Ball des Botschafters eingeladen wurde oder einfach nur gemütlich essen gehen wollte. Er war einer des begehrtesten Junggesellen neben George Clooney, doch im Gegensatz zu dem Hollywoodstar war er greifbarer. Verpflichtungen, wie Eheversprechen oder sogar Kinder standen nicht auf seiner Liste und das wussten auch seine Bekanntschaften. Man kam mit diesem Arrangement sehr gut aus.
    Warum also störte es ihn, dass Greta nicht das Vorzeigeleben einer adretten 50iger Jahre Hausfrau hatte.
    Er überlegte kurz und kam schnell zu einer Erkenntnis. Überfall hin oder her, glücklich sah sie nicht aus.
     
    Obwohl sie sich vor sieben Jahren vollkommen von ihm zurückgezogen hatte und sie keinen seiner Anrufe beantwortete, hatte er am Anfang Nachforschungen angestellt, um zu wissen, dass es ihr gut ging. Sie hatte einen Arbeitsplatz bei einer kleinen, mehr schlecht als recht laufenden Redaktion, die eine Frauenzeitschrift mit dem Namen „Bianca“ herausgab, gefunden. Jeden Sonntag ging sie zum Grab ihres Bruders und legte eine einzelne Calla darauf. Als sie ins North End umgezogen war, hatte es ihn nur einen Anruf gekostet und schon kannte er ihre neue Adresse, aber von ihrer Seite aus war eine Fortführung ihrer Freundschaft einfach nicht gewünscht worden. So beließ er es irgendwann dabei. Wie ein bemitleidenswerter Stalker wachte er über sie, ohne selbst in Erscheinung zu treten.
    S eine Mutter lud Greta zu jedem Gartenfest, zu jeder Geburtstagsfeier und zu jedem Weihnachten, Thanksgiving und Ostern ein, doch sie kam niemals. Es tat ihm weh zu sehen, wie sehr sich seine Mutter nach ihr sehnte. Obwohl sie selbst vier erwachsene Kinder hatte, war ihr Greta sehr ans Herz gewachsen und gehörte schon lange zur Familie. Mit dem Ende ihrer Freundschaft vor sieben Jahren schien es, als wäre ein Familienmitglied einfach gegangen und nicht mehr zurückgekehrt.
    Nate sah, wie sehr seine Mutter unter Gretas Abwesenheit litt, doch nie hatte sie ihn bedrängt zu erzählen, was damals vorgefallen war und er war ein ziemlich feiger Hund, dass er sich seiner Verantwortung entzog.
     
    Er rieb sich den Nasenrücken und gähnte herzhaft. Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Erst hatte er ein romantisches Abendessen mit Chantal gehabt und sie waren später in seinem Bett gelandet. Als Greta angerufen hatte, waren sie erst kurz vorher eingeschlafen. Chantal, eine gute Bekannte, die genau wie er ab und zu Zerstreuung suchte, war etwas mürrisch geworden, als er sie geweckt und nach Hause geschickt hatte, doch als er ihr erklärt hatte, warum er losmusste, schien sie ihn zu verstehen.
    Er rief ihr um drei Uhr morgens ein Taxi, das sie zu ihrer Wohnung bringen würde und verabschiedete sich von ihr. Irgendwann würde er sich wieder bei ihr melden.
     
    Nate drehte seinen Schreibtischstuhl in Richtung seines Tisches und starrte die aufgeklappte Akte darauf an. Schließlich gab er auf.
    Es war kurz nach fünf und obwohl er es sich nicht leisten konnte und auch sonst ein regelrechter Workaholic war, stand er auf, klappte die Mappe zu und nahm sein Jackett, bevor er die Tür zu seinem Büro schloss und mit dem Fahrstuhl in die Tiefgarage zu seinem Auto fuhr.
    Er hatte seine Mutter am Nachmittag angerufen und mit ihr ausgemacht, dass Greta eine Weile bei seinen Eltern bleiben sollte, also fuhr er aus der Tiefgarage und bog auf die Columbia Road ab. Er hatte nicht erwartet, dass um diese Zeit derart viel Verkehr war, denn sonst brachte er

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